OLG Hamm: Elfjähriger Radfahrer kann für Zusammenstoß mit 57-jähriger Radfahrerin allein haften

Verursacht ein verkehrswidrig fahrender, elfjähriger Radfahrer einen Zusammenstoß mit einer 57-jährigen Radfahrerin, bei dem diese erhebliche Verletzungen leidet, kann der Elfjährige für die Unfallfolgen der Radfahrerin allein zu haften haben. Das hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm am 16.9.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Dortmund bestätigt.

Tatbestand:

Im September 2009 befuhr der seinerzeit 11 Jahre alte Bekl. aus W. den Gehweg der L.-Straße mit seinem Fahrrad entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung. Beim Überqueren der J.-Straße stieß er mit der von links aus der J.-Straße kommenden, seinerzeit 57 Jahre alten Kl. aus W. zusammen. Die Kl. zog sich bei dem Zusammenstoß schwere Verletzungen im Bereich ihres rechten Kniegelenks und eine rechte Sprunggelenkfraktur zu. Sie musste mehrfach operiert werden und leidet noch heute unter den Folgen der Knieverletzung, die letztendlich zu einer operativen Versteifung des rechten Knies führen wird.
Das LG ist von einer alleinigen Haftung des elfjährigen Radfahrers für den Verkehrsunfall ausgegangen. Es hat der Kl. – nach vom Haftpflichtversicherer des Bekl. vorprozessual gezahlten 14.000 Euro – weitere 11.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von ca. 1.900 Euro Erwerbsschaden und – nach insoweit vorprozessual gezahlten 2.000 Euro – weitere ca. 23.000 Euro Haushaltsführungsschaden. Für den künftigen Haushaltsführungsschaden hat es der Kl. eine vierteljährlich zu zahlenden Rente von ca. 820 Euro zuerkannt.
Die mit der Berufung vom Beklagten erstrebte vollständige Klageabweisung hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Aus den Gründen:

Der Bekl. hafte dem Grunde nach allein für den Unfall, so der Senat. Er habe den Gehweg der im Grundsatz vorfahrtsberechtigten L.-Straße verkehrswidrig entgegen der eigentlichen Fahrtrichtung benutzt. Aufgrund seines Alters sei er nicht mehr berechtigt gewesen, auf dem Gehweg Fahrrad zu fahren. Deswegen habe ihm gegenüber der Kl. kein Vorfahrtsrecht zugestanden. Abgesehen davon habe er beim Queren der Einmündung der J.-Straße auf den fließenden Fahrzeugverkehr dieser Straße achten und nicht dazu mit seinem Fahrrad in der „falschen“ Fahrtrichtung weiterfahren dürfen. Seine Fahrweise sei hochgefährlich gewesen.
Der im Unfallzeitpunkt elfjährige Bekl. sei für sein Fehlverhalten verantwortlich. Seinem Sachvortrag sei nicht zu entnehmen, dass er im Zeitpunkt des Unfalls nicht die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht gehabt habe. Nur wenn er das nachweisen könne, entfalle seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit.
Der Kl. sei demgegenüber kein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls nachzuweisen, für den der Bekl. damit allein einzustehen habe.
Das vom LG ausgeurteilte Schmerzensgeld sowie die zugesprochenen materiellen Schadensbeträge seien gerechtfertigt, mit Ausnahme eines Betrags von 450 Euro beim Haushaltsführungsschaden, um den die Kl. ihre Klage aber im Nachhinein auch reduziert habe.
OLG Hamm, Urteil vom 16. 9. 2016 (9 U 238/15) – rechtskräftig –

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 25. 1. 2017