Grabenunfall nach Begegnung wankender Treckergespanne – OLG Hamm klärt die Haftung

Begegnen sich zwei Treckergespanne mit einer Breite von 2,85 m und 3,03 m auf einer 5,8 m breiten Straße und führt der Fahrer eines Gespanns ein Ausweichmanöver durch, bei dem sein Gespann in den Graben fährt, kann auch der Fahrer des anderen Gespanns für den Unfall mitverantwortlich sein. Das hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm am 7. 6. 2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Bielefeld bestätigt.

Tatbestand:

Im August 2012 begegneten sich auf der 5,8 m breiten W.-Straße in E. der vom Sohn des Kl. aus H. gesteuerte Traktor mit angehängtem, 3,03 m breiten Grubber sowie der vom Bekl. aus A. gesteuerte Traktor mit angehängtem, 2,85 m breiten Fasswagen zum Transport von Gülle. Das Gespann des Kl. fuhr ca. 35-40 km/h, das des Bekl. ca. 30 km/h. Als die Fahrzeuge mit diesen Geschwindigkeiten etwa auf gleicher Höhe waren, lenkte der Sohn des Kl. sein Gespann auf den rechtsseitigen Grünstreifen. Er geriet mit dem rechten Reifen des Traktors in eine mit Gras bewachsene Bodenmulde, sodass das Gespann auf die Seite kippte.

Vom Bekl. und seinem Pflichtversicherer hat der Kl. ca. 26.300 Euro Schadensersatz verlangt, 75 % des ihm insgesamt entstandenen Sachschadens. Das LG Bielefeld hat in erster Instanz die von beiden Fahrzeugen ausgehende, unfallursächliche Betriebsgefahr mit gleichem Anteil berücksichtigt und dem Kl. ca. 17.500 Euro Schadensersatz zugesprochen.

Die mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung eingelegte Berufung der Bekl. ist erfolglos geblieben. Der 9. Zivilsenat des OLG Hamm hat die Haftung der Beteiligten mit der vom LG ausgeurteilten Haftungsquote im Ergebnis bestätigt.

Aus den Gründen:

Die Haftung eines am Unfallgeschehen beteiligten Fahrzeugs, so der Senat, komme auch dann in Betracht, wenn das Fahrzeug ein anderes unfallbeteiligtes Fahrzeug nicht berührt habe. Allerdings reiche die bloße Anwesenheit eines Fahrzeugs an der Unfallstelle nicht aus. Das Fahrzeug müsse vielmehr durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu dem Schaden beigetragen haben. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn es einen Geschädigten zu einem Ausweichmanöver veranlasse.

Ausgehend hiervon habe sich der Verkehrsunfall beim Betrieb des vom Beklagten gesteuerten Traktors ereignet. Der Sohn des Kl. sei bei der beiderseitigen Annäherung dem Gespann des Bekl. ausgewichen. Ohne Belang sei insoweit, ob der Sohn des Kl. zuvor auf andere Weise auf den im Gegenverkehr entgegenkommenden Beklagten habe reagieren können.

Die in Bezug auf die konkrete Unfallsituation vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge rechtfertige eine Haftungsverteilung zu gleichen Anteilen. Aufgrund der Breite beider Gespanne habe keiner der Fahrer davon ausgehen können, den anderen unter alleiniger Nutzung der Fahrbahnbreite passieren zu können. Selbst unter Inanspruchnahme der 20 cm breiten Bankette sei ein Aneinandervorbeifahren aufgrund der seitlichen Wankbewegungen der Gespanne nicht problemlos möglich gewesen. Beide Fahrzeugführer hätten daher ihre Geschwindigkeit deutlich, gegebenenfalls bis zur Schrittgeschwindigkeit reduzieren und notfalls anhalten müssen, um – eventuell nach vorheriger Verständigung – ein gefahrloses Passieren zu ermöglichen. Diesen erhöhten Sorgfaltsanforderungen habe keiner Rechnung getragen. Ihre Fahrweise sei unangemessen gewesen, insbesondere im Hinblick auf die von beiden Fahrzeugführern eingeräumten und bei ihrer Begegnung nicht weiter reduzierten Geschwindigkeiten von ca. 35-40 km/h auf Kl.- und ca. 30 km/h auf Bekl.-Seite. Bei derartigen Geschwindigkeiten sei eine sachgerechte Reaktion auf das Verhalten des entgegenkommenden Gespanns nicht möglich gewesen.

OLG Hamm, Urteil vom 7. 6. 2016 (9 U 59/14) – rechtskräftig –

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 25. 1. 2017