OLG Hamm: „Lügen haben kurze Beine“

Lügen vor Gericht beim Geltendmachen eines Kaskoanspruchs wegen eines Diebstahls kann dazu führen, dass die für den VN streitende „Redlichkeitsvermutung“ widerlegt und seine Klage deswegen erfolglos ist. Das folgt aus der Entscheidung des 20. Zivilsenats des OLG Hamm vom 9. 8. 2017, die die erstinstanzliche Entscheidung des LG Bielefeld vom 16. 7. 2015 bestätigt.

Tatbestand:

Der Kl. aus einer ostwestfälischen Gemeinde nahm den bekl. Versicherer aus einer Kaskoversicherung auf Entschädigung für einen behaupteten Diebstahl von Fahrzeugteilen seines Kfz des Typs Porsche 911 in Anspruch. Er behauptete, sein Fahrzeug an einem Abend im März 2014 unbeschädigt auf dem Gehweg einer Straße in B. abgestellt zu haben. Ca. 3 h später habe er einen anonymen Anruf mit den Worten „Porsche weg Felgen Backsteine“ erhalten und das Fahrzeug ca. 20 min später ohne Räder und Scheinwerfer auf dem Gehweg vorgefunden. Ein Dritter oder Dritte müssten ohne seine, des Kl., Beteiligung Räder und Scheinwerfer entwendet haben. Die Regulierung der vom Kl. verlangten Entschädigung in Höhe von ca. 31 500 Euro verweigerte die Bekl. u. a. mit der Begründung, der Teilediebstahl sei vorgetäuscht.

Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Der 20. Zivilsenat des OLG Hamm hat Beweis erhoben und den Kl. wiederholt, u. a. zu der Frage einer von der Bekl. verlangten Nachbesichtigung des Fahrzeugs angehört.

Aus den Gründen:

Die Klage sei unbegründet, so der Senat, weil der Kl. den geltend gemachten Versicherungsfall eines Diebstahls nicht bewiesen habe. Den Vollbeweis eines Diebstahls könne der Kl. nicht führen.

Aber auch das sogenannte äußere Bild eines Teilediebstahls sei nicht erwiesen. Die vernommenen Zeugen hätten bereits das unversehrte Abstellen und Zurücklassen des Porsches durch den Kl. nicht beweiskräftig bestätigen können. Durch die eigenen Angaben des Kl. sei das äußere Bild eines Diebstahls ebenfalls nicht erwiesen.

Die grundsätzlich für den Geschädigten streitende Redlichkeitsvermutung sei im vorliegenden Fall aufgrund der Angaben des Kl. widerlegt. Der Senat sei davon überzeugt, dass der Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bewusst die Unwahrheit gesagt habe, um seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen.

Im zweiten Senatstermin habe der Kl. anfangs ausführlich erklärt, warum er einer von der Bekl. verlangten Nachbesichtigung seines Fahrzeugs, u. a. auch entgegen dem Rat seines damaligen Rechtsanwalts, zunächst nicht zugestimmt habe.

Nach einem Hinweis vonseiten des Gerichts auf eine sich hieraus möglicherweise ergebende Obliegenheitsverletzung und einer Unterbrechung der Senatsverhandlung habe der Kl. dieses Geschehen dann anders geschildert und seine frühere, abweichende Darstellung mit eigener Nervosität erklärt. Das sei nicht nachvollziehbar, weil der Kl. vor der Unterbrechung den – im Nichtbefolgen eines anwaltlichen Rates – ungewöhnlichen Hergang auch auf Vorhalt ausführlich, anschaulich, klar und ruhig dargestellt habe.

Für den Senat sei es mit der für ein positives Beweisergebnis nötigen Sicherheit ausgeschlossen, dass der Kl. den infrage stehenden Hergang vor der Unterbrechung durch irgendeine Fehlleistung im Kern falsch dargestellt habe. Vielmehr habe der Kl. bei seiner Schilderung nach der Unterbrechung vor Gericht bewusst die Unwahrheit gesagt, um seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen. Aufgrund dieser Unwahrheit sei die Redlichkeitsvermutung im vorliegenden Fall widerlegt. Der Senat habe keinen Anhalt anzunehmen, dass der Kl. nur bereit gewesen sei, vor Gericht die Unwahrheit zu sagen, nicht aber, einen Diebstahl vorzutäuschen.

OLG Hamm, Urteil vom 9. 8. 2017 (20 U 184/15)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 6. 9. 2017)