OLG Hamm: Skandal mit minderwertigen Silikonbrustimplantaten – keine Haftung des französischen Haftpflichtversicherers gegenüber in Deutschland geschädigten Patientinnen

Der französische Haftpflichtversicherer des in Frankreich ansässigen Unternehmens, das Brustimplantate unter Verwendung minderwertigen Industriesilikons hergestellt hat, haftet nicht gegenüber in Deutschland geschädigten Patientinnen, weil der Schutz dieser Haftpflichtversicherung auf das französische Staatsgebiet beschränkt ist. Das hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm am 19.6.2017 beschlossen und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Essen vom 12.12.2016 (1 O 188/15) bestätigt.

Tatbestand:

Die heute 65 Jahre alte Kl. aus M. ließ sich im April 2007 in einer Klinik Brustimplantate des französischen Herstellers einsetzen, von dem im Jahr 2010 bekannt wurde, dass er Implantate unter Verwendung minderwertigen Industriesilikons produziert hatte. Im März 2013 ließ die Kl. ihre Implantate austauschen. Vom bekl. Haftpflichtversicherer des zwischenzeitlich in Insolvenz gefallenen französischen Herstellers hat die Kl. Schadensersatz verlangt, u.a. 45.000 Euro Schmerzensgeld. Der beklagte Haftpflichtversicherer verweigerte eine Zahlung u.a. unter Hinweis darauf, dass er mit dem französischen Hersteller einen auf französisches Staatsgebiet beschränkten Versicherungsvertrag abgeschlossen habe.
Die gegen den französischen Haftpflichtversicherer gerichtete Schadensersatzklage ist erfolglos geblieben.

Aus den Gründen:

Nach den Entscheidungen des LG Essen und des 3. Zivilsenats des OLG Hamm kann die Kl. von dem Versicherer keinen Schadensersatz beanspruchen. Nach dem auf den Fall anwendbaren französischen Recht könne die Kl. zwar, so der Senat, einen Direktanspruch gegen den bekl. Versicherer geltend machen. Die Voraussetzungen eines derartigen Anspruchs seien aber nicht erfüllt, weil eine – unterstellte – Haftung des französischen Herstellers gegenüber der Kl. vom Versicherungsverhältnis zwischen dem Hersteller und dem bekl. Versicherer nicht gedeckt sei. Die abgeschlossene Versicherung decke ausschließlich Schadensfälle ab, die sich im französischen Mutterland oder in den französischen Überseegebieten ereignet hätten. Hierzu gehöre der Fall der Kl. nicht, ihr seien die Implantate in Deutschland eingesetzt worden. Die Beschränkung des Versicherungsschutzes sei wirksam und diskriminiere die Kl. nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. Wäre die Kl. in Frankreich operiert worden, wäre sie nicht anders zu behandeln als eine ebenfalls dort operierte Französin. Umgekehrt wäre eine in Deutschland operierte Französin nicht besser gestellt als die Kl.

OLG Hamm, Beschluss vom 19.6.2017 (3 U 30/17) – rechtskräftig –

Hinweis der Pressestelle
Das von der Patientin gegen die an der Zertifizierung der Silikonimplantate beteiligte Gesellschaft des TÜV Rheinland geführte Verfahren, das das LG Essen in erster Instanz von dem Verfahren gegen den französischen Haftpflichtversicherer abgetrennt hat, ist ebenfalls beim 3. Zivilsenat des OLG Hamm anhängig (3 U 125/17). In dem Verfahren ist noch kein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden.
Das OLG Hamm ist bislang mit 25 Verfahren befasst, in denen Patientinnen mit Brustimplantaten den französischen Haftpflichtversicherer in Anspruch nehmen bzw. genommen haben.
In 16 dieser Verfahren hat das OLG Hamm die Haftung des Haftpflichtversicherers rechtskräftig verneint. 9 Verfahren sind noch nicht entschieden. In diesen wird neben dem Haftpflichtversicherer die an der Zertifizierung beteiligte Gesellschaft des TÜV Rheinland in Anspruch genommen.
Außer der Kl. nehmen 10 weitere Patientinnen, deren Klagen gegen den französischen Haftpflichtversicherer in zweiter Instanz bereits rechtskräftig abgewiesen wurden, ebenfalls die o.g. Gesellschaft des TÜV Rheinland in Anspruch. Diese Verfahren sind noch beim OLG Hamm anhängig.
Eine Haftung der Gesellschaft des TÜV Rheinland als „benannter Stelle“ im Sinne der europäischen Richtlinie für Medizinprodukte (Richtlinie 93/42/EWG) hat der BGH in einem am 22.6.2017 entschiedenen Fall (VII ZR 36/14 – VersR 2017, 1216) verneint.

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 29.11.2017