OLG Stuttgart: Mutter des „Amokläufers von Winnenden und Wendlingen“ haftet nicht wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht

Die Mutter von Tim K., der am 11.3.2009 in Winnenden und Wendlingen 15 andere Menschen und sich selbst getötet hat, haftet nicht wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht. Der klagende SVT hat seine Berufung gegen ein Urteil des LG Stuttgart vom 7.8.2015 zurückgenommen.

Zuvor hatte der 13. Zivilsenat unter dem Vorsitz von Jürgen Kaulig darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO wegen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht zurückzuweisen. Zum einen sei nach der rechtsfehlerfreien Beweisaufnahme des LG davon auszugehen, dass die beklagte Mutter vor dem 11.3.2009 keine Kenntnis von einer im Schlafzimmerschrank ihres Mannes versteckten Schusswaffe hatte oder hätte haben müssen. Zum anderen seien im Prozess keine Anhaltspunkte ersichtlich geworden, die zu einer erhöhten Aufsichtspflicht über den zum Tatzeitpunkt fast volljährigen Tim K. führten. Auch nach der ärztlichen Einschätzung, der die Beklagte habe vertrauen dürfen, habe nichts darauf hingedeutet, dass sein sozial auffälliges Verhalten in ein aggressives und gewalttätiges Verhalten „umschlagen“ könnte.

Aufgrund der Berufungsrücknahme ist das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 7.8.2015 rechtskräftig. Von vornherein nicht mit der Berufung angegriffen war es, soweit es die Haftung des Vaters von Tim K. dem Grunde nach bejaht hat.

(OLG Stuttgart – 13 U 138/15 -; LG Stuttgart – 15 O 44/14)
Relevante Normen:

§ 832 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 27. 7. 2016