Rezension: Haftung und Versicherung bei Personenkraftwagen mit Fahrerassistenzsystemen

Das Thema „automatisiertes Fahren“ ist derzeit in aller Munde. Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit konzentriert sich dabei insbesondere auf autonome Fahrzeuge, bei denen der Mensch im Regelbetrieb nicht mehr steuernd in den Fahrvorgang eingreift. Wird ein solches Szenario hierzulande derzeit noch als Zukunftsmusik wahrgenommen, so ist unterdessen die fortschreitende Automatisierung von einzelnen Vorgängen, die herkömmlich durch Menschen gesteuert worden sind, in vollem Gang. Ein Beispiel bieten die mittlerweile in vielen Kfz anzutreffenden automatischen Einparkhilfen, ein anderes elektronische Geschwindigkeitssteuerungen und Abstandhalterfunktionen.
Diese technologische Entwicklung bietet den rechtstatsächlichen Rahmen für die Untersuchung von Hammel, eine Trierer, durch Peter Reiff betreute Dissertation. Dabei hat der Autor es sich zum Ziel gesetzt, die Rechtsfragen rund um Haftung und Versicherung umfassend zu beleuchten. Es geht ihm also keineswegs allein um die Auswirkungen automatisierten Fahrens auf die zivilrechtliche Haftung von Kfz-Führer und -Halter für Verkehrsunfälle und die daran anknüpfende Kfz-Haftpflichtversicherung, sondern auch um die Frage, welche Auswirkungen die automatisierten Steuerungssysteme auf die Produkthaftung haben. Letzteres ist insbesondere angesichts der Diskussion da­rüber interessant, inwieweit der Einsatz von digitaler anstelle von menschlicher Steuerung dazu führt, dass Haftung und Versicherung sich von Kfz-Führer und -Halter hin zum Produzenten des Kfz bzw. der Software verlagern.

Eingangs stellt Hammel die verschiedenen Grade der Automatisierung eines Kfz vor, angefangen von assistierter über teil- und hoch- bis hin zu vollautomatisierter Steuerung im Sinne eines autonomen Fahrens. Der im Titel der Arbeit gewählte Ausdruck „Fahrerassistenzsysteme“ erscheint zumindest für die letzte Fallgruppe – die Hammel erst auf S. 190 ff. als „Sonderfall“ untersucht – nicht recht passend, denn dort übernimmt das System die Steuerung, und der Fahrer wird zum (nur im Notfall einspringenden) Assistenten. Womöglich trifft der im Schrifttum bisweilen verwendete Begriff „automatisiertes Fahren“ das Gesamtspektrum daher besser. Prägnant legt der Autor im Anschluss dar, dass die Grundtatbestände der Haftung von Kfz-Führer und -Halter selbst durch den Einsatz vollautomatisierter Fahrsysteme keineswegs obsolet werden. Vielmehr können sowohl die Deliktshaftung nach § 823 BGB als auch die Haftungstatbestände nach §§ 7, 18 StVG auch in diesem Fall verwirklicht werden (S. 29 ff.; für autonome Kfz S. 193 ff., freilich nur hinsichtlich der Haftung aus § 7 StVG). Diese Einschätzung ist zutreffend. So greift der Grundgedanke der Halterhaftung gem. § 7 StVG – was Hammel (S. 29 ff.) nicht eigens thematisiert – ungeachtet dessen, dass das Kfz automatisiert gesteuert wird, weiterhin ein. Zudem wird insbesondere der Kfz-Führer seine straßenverkehrsrechtliche Haftung keineswegs stets mit dem Hinweis darauf abzuwenden vermögen, dass der Unfall durch die automatisierte Steuerung verursacht worden sei; vielmehr stellt eine Entkräftung der Verschuldensvermutung gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG deutlich höhere Anforderungen (S. 71 f.). Soweit Hammel (S. 211) allerdings bei autonomen Kfz ohne Überwachungspflicht den Kfz-Führer von der Haftung nach §§ 7, 18 StVG rundheraus befreien möchte, ist dem zu widersprechen; auch wer ein solches Fahrzeug in Bewegung setzt, „führt“ es. Diese Auslegung gebietet auch der Schutz der Verkehrsunfallopfer, dem nach der gesetzgeberischen Grundkonzeption nicht allein durch den Verweis auf die Halterhaftung Genüge getan ist.

Nachdem solchermaßen gleichsam das Feld bereitet ist, befasst sich der Autor eingehend mit den Anforderungen an Halter und Führer bei der Nutzung von Pkw mit automatisierter Steuerung. Von besonderem Interesse sind hier die Ausführungen dazu, wie sich die Automatisierung auf die Betriebsgefahr auswirkt. Hammel (S. 93 ff.) plädiert insoweit mit einleuchtender Argumentation für eine Einzelfallprüfung, da jegliche automatisierte Steuerung zu einer Verringerung, aber (bei unerkanntem Ausfall, Fehlfunktion oder Fehlbedienung) eben auch zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr führen kann. Sehr sorgfältig untersucht der Autor sodann die Informations- und Instruktionspflichten, die sich für den Halter ergeben, wenn er das Kfz einem anderen zur Nutzung überlässt (S. 105 ff.). Von Interesse ist auch die parallel dazu bestehende Erkundigungspflicht des Kfz-Führers hinsichtlich der Funktionsweise des automatisierten Systems (S. 157 ff.); diese Pflicht ist rechtlich für die Verschuldensvermutung gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG sowie als Verkehrspflicht bedeutsam. Von einiger praktischer Bedeutung sind zudem die Anforderungen, die an eine Überwachung und „Übersteuerung“, d. h. an ein manuelles Eingreifen des Kfz-Führers in die automatische Steuerung in Gefahrensituationen, zu stellen sind. Hammel (S. 169 ff.) befasst sich nur vergleichsweise knapp mit dieser Thematik. Hier erscheint es geboten, den Kfz-Führer strengen Anforderungen zu unterwerfen. Zwar ist es seit der Novellierung des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr von 1968 (WÜ) zulässig, Fahrzeugsysteme einzusetzen, die das Fahrverhalten beeinflussen. Freilich muss auch nach der Novellierung, die für Deutschland am 23. 3. 2016 in Kraft getreten ist, der Führer eines autonom fahrenden Kfz in das Geschehen eingreifen können. Dies bedeutet, dass die Systeme jederzeit übersteuer- und abschaltbar sein müssen. Jene Regelung kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn der Kfz-Führer zu einer tatsächlichen Nutzung solcher „Interventionssysteme“ (S. 172) nach strengen Maßstäben verpflichtet ist.

Eingehend erörtert Hammel (S. 225 ff.) sodann den Umfang des Versicherungsschutzes bei Pkw mit automatisierten Steuerungssystemen. Dabei thematisiert er neben der Haftpflicht- auch die Kaskoversicherung. Von besonderem Interesse sind hierbei die Ausführungen zur vorvertraglichen Anzeigepflicht hinsichtlich des automatisierten Systems, die der Autor mit überzeugender Begründung für beide Sparten der Kfz-Versicherung unterschiedlich beantwortet. Interessante Fragen stellen sich auch im Zusammenhang mit der Gefahrerhöhung. Hier arbeitet der Autor (S. 321) überzeugend heraus, dass in der Deaktivierung von automatisierten Systemen grundsätzlich mangels Benutzungspflicht keine Gefahrerhöhung liegt. Anders liegen die Dinge bei der Nutzung des Kfz mit defektem System; hier wird dem VN freilich in der Tat häufig der Kausalitätsgegenbeweis nach § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG gelingen (S. 322).
Abschließend geht der Autor auf die Produkthaftung als den zweiten für das Thema relevanten Haftungsbereich neben der Haftung von Kfz-Halter und -Führer ein. Zu Recht hebt er neben den Anforderungen an eine Haftung wegen Konstruktionsfehlern (S. 379 ff.) die große Bedeutung von Instruktionspflichten insbesondere bei den verschiedenen Stufen einer Teilautomatisierung hervor (S. 399 ff.). Für den Kfz-Führer ist es nämlich wichtig zu wissen, welche Funktionen automatisiert sind und in welcher Hinsicht ihn weiterhin eine persönliche Steuerungs- oder zumindest Überwachungsaufgabe trifft. Zu Recht plädiert Hammel insoweit für strenge Anforderungen an die Instruktion; dabei bietet er der Praxis zugleich konkrete Anregungen für eine effiziente Erfüllung der Pflicht (S. 414 f.).

Fazit: Die gut lesbar verfasste Dissertation bietet einen gehaltvollen Überblick zu den mit automatisierten Fahrsystemen für Haftung und Versicherung verbundenen Rechtsfragen. Dabei erweist sich, dass die herkömmlichen Regeln es weitgehend ermöglichen, die durch jene technologischen Neuerungen aufgeworfenen Fragen sachgerecht zu beantworten. Zugleich wird – auch wenn der Autor dies nicht eigens thematisiert – bei einer Zusammenschau der Kapitel zur Kfz- und zur Produkthaftpflicht deutlich, dass der Einsatz automatisierter Fahrsysteme keineswegs eine Verlagerung der Haftung vom einen auf den anderen Sektor nach sich ziehen wird. Dies gilt erst recht auf der deckungsrechtlichen Ebene, bietet doch die Kfz-Haftpflichtversicherung nicht allein durch die Gewährung eines Direktanspruchs dem Unfallgeschädigten gegenüber der Produkthaftpflichtversicherung erhebliche Vorzüge.
Der Rezensent, Prof. Dr. Christian Armbrüster, lehrt Zivilrecht mit Schwerpunkt auf dem Privatversicherungsrecht an der Freien Universität Berlin und ist Richter am KG a. D.

Haftung und Versicherung bei Personenkraftwagen mit Fahrerassistenzsystemen
Von Tobias Hammel
(Verlag Versicherungswirtschaft GmbH, Karlsruhe 2016, 610 S., kart., DIN A5, ISBN 978-3-89952-936-4, 84,99 Euro; Bd. 61 der VersR-Schriftenreihe)

(abgedr. in VersR 2016, 1414)