Rezension: Medizinproduktegesetz: MPG, MP-VO Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte

Acht Jahre sind im Leben eines Kommentars eine lange Zeit. Seit der 2. Aufl. sind sie inzwischen ins Land gegangen. Vor dem Hintergrund der Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte und der Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika dürfte der Nutzer gespannt sein, wie die Autoren auf diese neue Herausforderung der Rechtslage reagieren würden. Beide Verordnungen sind 2017 zwar in Kraft getreten. Ihre Anwendung ist aber bei den Medizinprodukten für 2020 und bei In-vitro-Diagnostika gar erst für 2022 in Aussicht genommen. Die Anwendung ist an die Funktionsfähigkeit der europäischen Datenbank gekoppelt, ohne deren Funktionieren die Anwendung keinen Sinn ergibt. Die Umsetzung der GCP-Verordnung (Verordnung [EU] 536/2014) bei den Arzneimitteln lässt grüßen. Bei ihr hätte es bereits 2017 der Fall sein sollen. Allein die Datenbank funktioniert noch nicht. Vor diesem zeitlichen Horizont gibt es für Kommentatoren des MPG zwei diametral unterschiedliche Optionen: Zum einen nur eine aktualisierte Kommentierung der noch geltenden Vorschriften oder zum anderen eine Kommentierung der geltenden Vorschriften und eine der künftig geltenden Regelungen allerdings ohne Kenntnis der erforderlichen Anpassungsvorschriften im nationalen Recht. Rehmann/Wagner haben sich indessen auf einen Kompromiss eingelassen: Aktualisierung der Kommentierung des noch geltenden MPG und zusätzlich ein vertiefter Ausblick auf die künftig gelten Verordnungen. Für eine Ausblendung der neuen Rechtslage hatten sich zuvor bereits Anhalt/Dieners in der Neuauflage ihres Handbuches „Medizinprodukte“ entschieden. Auch der Verfasser dieser Zeilen und seine Mitautoren haben sich in der nahezu zeitgleich erschienen 3. Auflage des Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag/Gassner für diesen Weg entschieden und haben die Kommentierung der neuen Vorschriften auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Für das jeweilige Vorgehen gibt es gute Gründe, behält man den Nutzer der Kommentare und deren Interessen im Auge.
Dass die Anpassung nationalen Rechts an EU-Verordnungen durchaus auch Überraschungen bereithalten kann, hat man zuletzt bei der Neufassung des BDSG mit den Anpassungsregeln für die DS-GVO beobachten können. In einem Hauruckverfahren wurde noch zum Ende der vergangenen Legislaturperiode des Bundestags ein Gesetz durchgepeitscht, mit dem der Versuch unternommen wurde, das Rad der EU-Normsetzung weitest möglich zurückzudrehen. Dass der Datenschutz so systemrelevant sein könnte, hätte man nicht vermutet. Aber vielleicht wollte der ehemalige Innenminister seinem Nachfolger einfach diese Last abnehmen. Auch wenn vom alten MPG nach den Verordnungen nicht mehr allzu viel übrig bleiben wird, bleibt die Anpassung doch spannend, vor allem im Hinblick auf die zahlreichen Verordnungen, die das MPG einst erst operabel gemacht haben und derzeit noch machen. Die klinische Prüfung wird sich wohl das Verfahren im AMG zum Vorbild nehmen. Dies muss kein Fehler sein.
Die Entscheidung, über den Tellerrand des MPG hinaus auch auf die künftig geltenden Regelungen zu schauen, beschert dem bisher überaus handlichen Band einen Zuwachs von gut 200 auf 625 Seiten. Diese enthalten eine sehr komprimierte Kommentierung der beiden EU-Verordnungen mit den Bezügen zur bisherigen Rechtslage. In der Kommentierung des MPG sind im Gegenzug auch bereits Bezüge zum künftigen Recht enthalten. Für den interessierten Leser ist dies sicher von Nutzen, denn nicht alles wird künftig noch so sein, wie es bisher (noch) ist. Allerdings sollte nicht verschwiegen werden, dass die beiden Verordnungen zu Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika in etwa den Inhalt des MPG umfassen, nur etwas ausführlicher geregelt. Einzig ein Abschnitt kommt völlig neu ins Gesetz, nämlich der über die Identifizierung und Rückverfolgbarkeit von Produkten, die Registrierung von Produkten und Wirtschaftsakteuren, den Kurzbericht über Sicherheit und klinische Leistung sowie die Europäische Datenbank für Medizinprodukte geht (Kap. III – Art. 25–34). Wer sich also bereits im Vorfeld mit den neuen Regeln vertraut machen will, dem bietet Rehmann als federführender Autor eine, auf die wesentlichen Zusammenhänge konzentrierte und kurze Kommentierung.
Die Kommentierung des MPG ist in Rechtsprechung und Literatur (soweit es solche gibt) auf den neuesten Stand gebracht. Alles in allem hat der Rehmann/Wagner seinen Platz im Reigen der Kommentierungen zum MPG gefunden. Er ist auch in der Neuauflage immer noch das handlichste Erläuterungsbuch zum MPG. Der Ausblick zum neuen Recht macht ihn, bis andere Kommentatoren nachziehen, auch noch zum Aktuellsten.

Der Rezensent, Dr. Hans-Dieter Lippert, ist Rechtsanwalt bei KNORR Rechtsanwälte AG Ulm, München.

Medizinproduktegesetz: MPG, MP-VO
Verordnung (EU) 2017/745 über Medizinprodukte
Von Wolfgang A. Rehmann und Susanne Wagner
(Verlag C. H. Beck, München, 3. Aufl. 2018, XXXII und 625 S., LN, ISBN 978-3-406-71125-1, 109 Euro)