Rezension: Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz – Band 1: §§ 1–99, VVG-InfoV

Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz
Band 1: §§ 1–99, VVG-InfoV

Von Theo Langheid und Manfred Wandt (Hrsg.)
(Verlag C. H. Beck, München, 2. Aufl. 2016, XXII + 1698 S., geb., ISBN: 978-3-406-67311-5, 339 Euro)
Seit der VVG-Reform 2008 sind mittlerweile acht Jahre vergangen, seit Erscheinen der Vorauflage dieses Bandes sechs Jahre. In der Zwischenzeit hat sich nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung mit zentralen Fragen des reformierten VVG befasst, sondern auch die Literatur, die erheblich umfangreicher und vielfältiger geworden ist. Nicht zuletzt wegen der Gesetzesänderungen im Bereich der Beratungs- und Informationspflichten des Versicherers und des Widerrufsrechts des VN (§§ 6 bis 9 VVG) ist eine Neuauflage notwendig geworden.
Während die 1. Aufl. von Bd. 1 neben den Kommentierungen der §§ 1 bis 99 VVG auch systematische Darstellungen enthielt, hat die Neuauflage eine Umstrukturierung erfahren. Die handbuchartigen Kapitel zum AGB-Recht, Versicherungsaufsichtsrecht, Rückversicherungsrecht, Versicherungskartellrecht, zur Rechnungslegung und Betriebswirtschaftslehre finden sich künftig vollständig in Bd. 3. Die Bd. 1 und 2 beinhalten so ausschließlich die Kommentierungen zum VVG. Im Hinblick auf die Autorenschaft zeigt sich der Kommentar mit wenigen Ausnahmen unverändert. Beibehalten wurde das jeder Kommentierung voranstehende Fundstellen- und Stichwortverzeichnis, das die praktische Arbeit mit dem Werk deutlich vereinfacht und es ermöglicht, schnell die gewünschte Erläuterung zu finden.
Inhaltlich wurde das Werk umfassend aktualisiert, die Rechtsprechung und Literatur einem Großkommentar würdig ausgewertet. Zwei Beispiele: Unsicherheiten bestanden nach der Reform (und bestehen weiterhin) bezüglich der „Quotelungen“, die etwa bei grob fahrlässiger Verletzung vertraglicher Obliegenheiten nach § 28 VVG oder bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls nach § 81 VVG vorzunehmen sind. Streitig war hierbei auch, ob – und wenn ja, wann – eine „Null-Quote“ möglich ist, durch die der Versicherer letztlich leistungsfrei bleibt. Im Rahmen der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung haben sich einige wenige Fallgruppen herausgebildet, die der Kommentar nun nach Sparten geordnet aufführt (§ 28 Rn. 246). Am Ende seiner Kommentierung des § 28 VVG geht Manfred Wandt zudem auf die Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) ein, die er auch auszugsweise abdruckt. Besonders ausführlich erläutert wird angesichts seiner hohen praktischen Relevanz § 19 VVG (vorvertragliche Anzeigepflicht). Hier ist derzeit höchstrichterlich u. a. ungeklärt, ob Antragsfragen aus von Versicherungsmaklern erstellten Fragebögen solche „des Versicherers“ sind, ihre Falschbeantwortung also den Versicherer zum Rücktritt berechtigen kann. Obwohl dies nach altem Recht anerkannt war, stehen sich zum neuen VVG das OLG Hamm und das OLG Köln mit unterschiedlichen Auffassungen gegenüber. Theo Langheid schließt sich der versichererfreundlicheren Auffassung des OLG Köln jedenfalls für den Fall an, dass die Maklerfragen die sonst üblicherweise vom Versicherer gestellten Fragen wiederholen (§ 19 Rn. 67).
Die Neuauflage besticht durch die Einarbeitung der umfangreich ergangenen Rechtsprechung und den erneut sehr übersichtlichen Aufbau. Nicht zuletzt wegen der Balance, die der Kommentar zwischen den für die Praxis relevanten und den vornehmlich für die Wissenschaft bedeutenden Thematiken schafft, gehört er zu Recht zu den Standardwerken im Versicherungsrecht.
Der Rezensent, Prof. Dr. Christian Rolfs, ist Direktor des Instituts für Versicherungsrecht der Universität zu Köln.

(abgedr. in VersR 2016, 837)