Ärztlicher Behandlungsfehler: Tod nach zwei Jahren – Warten Patienten über 70 nur noch auf den Tod?

Das OLG Frankfurt (Urt. v. 22.12.2020 – 8 U 142/18) hatte über das Schmerzensgeld zu entscheiden, das den Erben einer Patientin gegen einen Arzt zustand. Ein Befunderhebungsfehler hatte dazu geführt, dass eine Krebsdiagnose um einen Monat verzögert wurde. Bei einer früheren Diagnose wäre die statistische Prognose der Patientin um 10–21 % günstiger gewesen. Der grobe Befunderhebungsfehler des Beklagten hat eine Beweislastumkehr zur Folge und es ist ihm nicht gelungen, die fehlende Kausalität zwischen dem Fehler und im Hinblick auf die Metastasierung des Sarkoms in Lunge und Hirn sowie bezüglich des Todes zu beweisen. Auch bei einer früheren Befunderhebung wäre der Verstorbenen die Tumorresektion und postoperativ die Bestrahlungstherapie in der erfolgten Intensität, wohl aber die Metastasierung, nicht erspart geblieben. Weiterlesen…

OLG Braunschweig: Schmerzensgeld für nicht erkannten Darmkrebs

Ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro sowie Schadensersatz hat der 9. Zivilsenat des OLG Braunschweig am 28.2.2019 in einem Arzthaftpflichtprozess zugesprochen und damit ein Urteil des LG Braunschweig betätigt.

Die Kläger waren die Erben der verstorbenen Patientin, die noch zu Lebzeiten gegen ihren behandelnden Internisten Klage erhoben hatte, weil dieser ihre Darmkrebserkrankung nicht erkannt hatte. Der Arzt hatte bei der Patientin trotz ihrer zum Teil heftigen Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert, ohne eine Darmspiegelung gemacht zu haben. Erst als sich die Patientin neun Monate später wegen eines anderen Leidens im Krankenhaus befand, wurde der Darmkrebs entdeckt. Er hatte jetzt bereits Metastasen in der Leber entwickelt.

Dem Arzt war nach den Ausführungen des 9. Zivilsenats ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil er die erforderliche Darmspiegelung nicht durchgeführt hat. Weil dieser Fehler in gravierender Weise gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe, greife zugunsten der Patientin eine sogenannte Beweislastumkehr: Nicht die Patientin habe beweisen müssen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und ihren gesundheitlichen Folgen bestanden habe. Vielmehr habe der Arzt den Beweis führen müssen, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf der Erblasserin ursächlich geworden sei. Dies, so der 9. Zivilsenat, sei dem Arzt nicht gelungen.

Der Schmerzensgeldanspruch sei auch nicht durch ein Mitverschulden der Patientin gemindert. Auch wenn sie weiterhin aus dem Anus geblutet habe, habe sie deswegen nicht unbedingt nochmals zum Arzt gehen müssen. Zugunsten der Patientin sei zu berücksichtigen, dass sie zuvor bei dem Internisten wegen ihrer rektalen Blutungen abschließend behandelt worden sei und hierfür auch eine Diagnose erhalten habe, die gerade nicht auf Krebs lautete. Hierauf habe die Patientin eine Zeit lang vertrauen dürfen.

OLG Braunschweig, Urteil vom 28.2.2019 ( 9 U 129/15)
Pressemitteilung des OLG Braunschweig vom 10.4.2019

 

BGH: Zur Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche Ernährung

Der 1929 geborene Vater des Klägers (Patient) litt an fortgeschrittener Demenz. Er war bewegungs- und kommunikationsunfähig. In den letzten beiden Jahren seines Lebens kamen Lungenentzündungen und eine Gallenblasenentzündung hinzu. Im Oktober 2011 verstarb er. Der Patient wurde von September 2006 bis zu seinem Tod mittels einer PEG-Magensonde künstlich ernährt. Er stand unter Betreuung eines Rechtsanwalts. Der Beklagte, ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin, betreute den Patienten hausärztlich. Der Patient hatte keine Patientenverfügung errichtet. Sein Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen ließ sich auch nicht anderweitig feststellen. Es war damit nicht über die Fallgestaltung zu entscheiden, dass die künstliche Ernährung gegen den Willen des Betroffenen erfolgte. Weiterlesen…

BGH entscheidet über Haftung nach unzureichender Aufklärung von Organspendern vor einer Lebendspende

Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf (Verfahren VI ZR 495/16):

Die Klägerin spendete ihrem an einer chronischen Niereninsuffizienz auf dem Boden einer Leichtkettenerkrankung leidenden Vater im Februar 2009 eine Niere. Im Mai 2014 kam es zum Transplantatverlust beim Vater. Die Klägerin behauptet, infolge der Organspende an einem chronischen Fatigue-Syndrom und an Niereninsuffizienz zu leiden und macht eine formal wie inhaltlich ungenügende Aufklärung geltend. Weiterlesen…