Prof. Dr. Thomas Riehm: Rechte an Daten – Die Perspektive des Haftungsrechts

„Daten sind das Öl der digitalen Wirtschaft.“ Diese viel verwendete Metapher ist doppeldeutig und in ihrer doppelten Bedeutung gemeint. Zum einen sind Daten in der digitalen Wirtschaft das, was während des industriellen Zeitalters das Öl war: das zentrale Wirtschaftsgut, hinter dem jeder her ist, weil es für die Quelle der Energie und damit letztlich für Produktivität steht. Dem „Ölrausch“ des 19. und 20. Jahrhunderts folgt der „Datenrausch“ des 21. Jahrhunderts. So erwartete die EU-Kommission schon 2015 im Rahmen ihrer Analyse zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, dass bis 2020 mehr als 16 Zettabytes an sinnvollen Daten existieren wird – das entspricht zwei Terabyte pro Erdbewohner! Zum anderen fungiert Öl aber auch als Schmiermittel: in der Digitalwirtschaft erleichtern Daten die Kooperation zwischen Unternehmen und ermöglichen damit enorme Produktivitätssteigerungen. Daten, die fließen, optimieren den Informationsfluss und lassen dadurch ökonomische Prozesse schneller ablaufen. Sie sind dabei Gegenstand einer neuartigen Wertschöpfungskette: Daten werden erzeugt, gesammelt, aggregiert und dann analysiert – man könnte auch sagen veredelt. Am Ende dieser Wertschöpfungsvorgänge steht Innovation durch neuartige Produkte oder – meist – Dienstleistungen, die mit Hilfe der analysierten daten optimiert werden.

Oftmals handeln auf den jeweiligen Stufen der Wertschöpfungskette unterschiedlich spezialisierte Akteure. Die Daten müssen daher zwischen diesen übertragen werden. Inwieweit das bei personenbezogenen Daten erlaubt ist, ist eine Frage des Datenschutzrechts der DSGVO und des BDSG, die im Folgenden weitgehend ausgeklammert bleiben. Längst nicht alle im hier besprochenen Sinn vermögenswerten Daten sind personenbezogen und damit datenschutzrechtlich relevant; gerade im Zusammenhang mit der sogenannten „Industrie 4.0“ geht es häufig um reine Maschinendaten – von der Beanspruchung und dem Verschleißzustand einer Maschine bis hin zu Telemetrie-Daten eines Rennautos. Mit der Übertragung von Daten zwischen verschiedenen Akteuren entstehen rechtliche Zuordnungsfragen, die sich aus Sicht des allgemeinen Zivilrechts in verschiedenen Dimensionen stellen: Wer darf auf welche Daten zugreifen, wem steht das Recht zu, die Daten zur Gewinnerzielung zu nutzen, wem stehen gegebenenfalls Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz zu, wenn unerlaubt auf die Daten zugegriffen wird oder diese sogar gelöscht werden? Diese Fragen gewinnen durch die Mobilität der Daten noch mehr an Komplexität: Daten können beliebig dupliziert werden; sie sind per Internet weltweit zugänglich. Dadurch können sie vor unerlaubten Zugriffen faktisch nur schwer geschützt werden, sodass die rechtlichen Schutzmechanismen immer mehr an Bedeutung gewinnen.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 714)

AG München: Kein Anspruch gegen Hotel auf Auskunft über persönliche Daten von Hotelgästen („Väterroulette“)

Tatbestand:

Die Kl. mietete in der Zeit vom 4. bis 7. 6. 2010 ein Zimmer in einem Hotel in Halle gemeinsam mit ihrem damaligen männlichen Begleiter mit dem Vornamen Michael. Mit dieser Person nutzte die Kl. in dem Zeitraum ein Hotelzimmer in der zweiten Etage. Im März 2011 brachte sie den Jungen J. zur Welt. Ihr Begleiter aus dem Hotel in Halle könnte der Vater des Kindes sein. Die Kl. möchte von der Hotelleitung Auskunft über die Anschrift und den vollständigen Namen ihres damaligen Begleiters. Sie selbst ist nicht im Besitz von Unterlagen, aus denen sich der vollständige Name ihres Begleiters ergeben könnte. Weiterlesen…