Der gläserne Versicherer – Art. 15 DSGVO macht’s möglich?

Das neue europäische Datenschutzrecht ist auch für den Versicherungssektor ein „scharfes Schwert“ (Waldkirch, r+s 2021, 317, 321). Ein aktueller bis zum BGH geführter Rechtsstreit eines Versicherungsnehmers mit seinem Versicherer belegt dies eindrucksvoll. Dabei geht es um den Anspruch des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auf Datenauskunft gem. Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der BGH (VersR 2021, 1019 Rz. 15 ff.) gewährt einen solchen Anspruch in weit reichendem Umfang. Demnach können die zurückliegende Korrespondenz der Parteien, das „Prämienkonto“ des Versicherungsnehmers und Daten des Versicherungsscheins sowie – und dies macht das Urteil für die Praxis brisant – interne Vermerke und interne Kommunikation des Versicherers mit Informationen über den Versicherungsnehmer (Rz. 27) nicht von vornherein vom Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO ausgenommen werden. Weiterlesen…

BAG: Erteilung einer „Datenkopie“ nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO

Ein Klageantrag auf Überlassung einer Kopie von E-Mails ist nicht hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn die E-Mails, von denen eine Kopie zur Verfügung gestellt werden soll, nicht so genau bezeichnet sind, dass im Vollstreckungsverfahren unzweifelhaft ist, auf welche E-Mails sich die Verurteilung bezieht. Weiterlesen…

BGH entscheidet über Auslistungsbegehren gegen den Internet-Suchdienst von Google („Recht auf Vergessenwerden“)

Verfahren VI ZR 405/18

Der Kl. war Geschäftsführer eines Regionalverbands einer Wohlfahrtsorganisation. Im Jahr 2011 wies dieser Regionalverband ein finanzielles Defizit von knapp einer Million €auf; kurz zuvor meldete sich der Kl. krank. Über beides berichtete seinerzeit die regionale Tagespresse unter Nennung des vollen Namens des Kl. Der Kl. begehrt nunmehr von der Bekl. als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine „Google“, es zu unterlassen, diese Presseartikel bei einer Suche nach seinem Namen in der Ergebnisliste nachzuweisen. Weiterlesen…

Prof. Dr. Thomas Riehm: Rechte an Daten – Die Perspektive des Haftungsrechts

„Daten sind das Öl der digitalen Wirtschaft.“ Diese viel verwendete Metapher ist doppeldeutig und in ihrer doppelten Bedeutung gemeint. Zum einen sind Daten in der digitalen Wirtschaft das, was während des industriellen Zeitalters das Öl war: das zentrale Wirtschaftsgut, hinter dem jeder her ist, weil es für die Quelle der Energie und damit letztlich für Produktivität steht. Dem „Ölrausch“ des 19. und 20. Jahrhunderts folgt der „Datenrausch“ des 21. Jahrhunderts. So erwartete die EU-Kommission schon 2015 im Rahmen ihrer Analyse zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt, dass bis 2020 mehr als 16 Zettabytes an sinnvollen Daten existieren wird – das entspricht zwei Terabyte pro Erdbewohner! Zum anderen fungiert Öl aber auch als Schmiermittel: in der Digitalwirtschaft erleichtern Daten die Kooperation zwischen Unternehmen und ermöglichen damit enorme Produktivitätssteigerungen. Daten, die fließen, optimieren den Informationsfluss und lassen dadurch ökonomische Prozesse schneller ablaufen. Sie sind dabei Gegenstand einer neuartigen Wertschöpfungskette: Daten werden erzeugt, gesammelt, aggregiert und dann analysiert – man könnte auch sagen veredelt. Am Ende dieser Wertschöpfungsvorgänge steht Innovation durch neuartige Produkte oder – meist – Dienstleistungen, die mit Hilfe der analysierten daten optimiert werden.

Oftmals handeln auf den jeweiligen Stufen der Wertschöpfungskette unterschiedlich spezialisierte Akteure. Die Daten müssen daher zwischen diesen übertragen werden. Inwieweit das bei personenbezogenen Daten erlaubt ist, ist eine Frage des Datenschutzrechts der DSGVO und des BDSG, die im Folgenden weitgehend ausgeklammert bleiben. Längst nicht alle im hier besprochenen Sinn vermögenswerten Daten sind personenbezogen und damit datenschutzrechtlich relevant; gerade im Zusammenhang mit der sogenannten „Industrie 4.0“ geht es häufig um reine Maschinendaten – von der Beanspruchung und dem Verschleißzustand einer Maschine bis hin zu Telemetrie-Daten eines Rennautos. Mit der Übertragung von Daten zwischen verschiedenen Akteuren entstehen rechtliche Zuordnungsfragen, die sich aus Sicht des allgemeinen Zivilrechts in verschiedenen Dimensionen stellen: Wer darf auf welche Daten zugreifen, wem steht das Recht zu, die Daten zur Gewinnerzielung zu nutzen, wem stehen gegebenenfalls Ansprüche auf Unterlassung oder Schadensersatz zu, wenn unerlaubt auf die Daten zugegriffen wird oder diese sogar gelöscht werden? Diese Fragen gewinnen durch die Mobilität der Daten noch mehr an Komplexität: Daten können beliebig dupliziert werden; sie sind per Internet weltweit zugänglich. Dadurch können sie vor unerlaubten Zugriffen faktisch nur schwer geschützt werden, sodass die rechtlichen Schutzmechanismen immer mehr an Bedeutung gewinnen.

(Der vollständige Beitrag ist abgedr. in VersR 2019, 714)

Matthes Egger: Die Risikoprüfung des Versicherers im Lichte der umgesetzten Versicherungsvertriebsrichtlinie und der Datenschutz-Grundverordnung

Viel diskutiert wurde in letzter Zeit die Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 1. 2016 über Versicherungsvertrieb („Insurance Distribution Directive“, im Folgenden: IDD). Am 28. 7. 2017 ist das Gesetz zur Umsetzung der IDD im Bundesgesetzblatt verkündet worden und am 23. 2. 2018 in Kraft getreten. Am 25. 5. 2018 ist die DSGVO in Kraft getreten und seither geltendes Recht, Art. 99 Abs. 2 DSGVO. Beide Regelungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Datenerhebung auch von Versicherungsunternehmen. Weiterlesen…