OLG Celle: Kein Versicherungsschutz wenn ein Kind mit Hilfe einer Leihmutter in den USA zur Welt gebracht wurde

In der privaten Krankenversicherung besteht nach § 198 Abs. 1 S. 1 VVG und den einschlägigen Versicherungsbedingungen grundsätzlich die Möglichkeit, ein neugeborenes Kind in den für einen Elternteil bestehenden Vertrag einzubeziehen, wenn die Versicherung zum Zeitpunkt der Geburt mindestens drei Monate besteht und der Aufnahmeantrag innerhalb von zwei Monaten nach der Geburt gestellt wird (sog. Kindernachversicherung).

Nach einem Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Celle vom 28.2.2019 (U 178/18) besteht diese Möglichkeit nicht für das Kind eines genetischen Vaters, der mit dem VN in gleichgeschlechtlicher Beziehung lebt, mit ihm aber weder verheiratet noch verpartnert ist. Weiterlesen…

OLG Düsseldorf: Kleinkind überschwemmt Badezimmer – keine Haftung der aufsichtspflichtigen Eltern

Die Eltern eines dreieinhalbjährigen Kindes begehen keine Aufsichtspflichtverletzung, wenn ihr Kind allein schlafen gelegt wird, dann aber unbeobachtet aufsteht und im Badezimmer einen Wasserschaden verursacht. Darauf wies der für Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen zuständige 4. Zivilsenat des OLG Düsseldorf in einem bislang nicht veröffentlichten Beschluss vom 26. 4. 2018 (I-4 U 15/18) hin. Weiterlesen…

OLG Hamm: Nierenentfernung bei Achtjährigem – Klinikum haftet für intraoperative Aufklärungspflichtverletzung

Stellt sich während der Operation an der Niere eines achtjährigen Kindes heraus, dass der ursprünglich geplante Eingriff nicht durchführbar ist, kann eine neue Situation vorliegen, die eine neue Aufklärung der sorgeberechtigten Eltern über die zu verändernde Behandlung und ihre hierzu erteilte Einwilligung erfordert. Besteht in diesem Fall neben der Entfernung einer Niere grundsätzlich auch die Möglichkeit einer späteren nierenerhaltenden Operation, kann ein Aufklärungsdefizit vorliegen, wenn den Kindeseltern gegenüber die Nierenentfernung als einzig mögliche Behandlung dargestellt wird. Das hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm am 7.12.2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Essen abgeändert. Weiterlesen…

BGH bejaht mögliche Amtshaftungsansprüche von Eltern wegen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellter Kinderbetreuungsplätze – Verschulden der beklagten Kommune muss aber noch geprüft werden

Der BGH hat sich am 20. 10. 2016 in mehreren Entscheidungen mit der Frage befasst, ob Eltern im Wege der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 Satz 1 GG) den Ersatz ihres Verdienstausfallschadens verlangen können, wenn ihren Kindern entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt wird und sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können.

Der Sachverhalt:

Die Kl. der drei Parallelverfahren beabsichtigten, jeweils nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufzunehmen. Unter Hinweis darauf meldeten sie für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der bekl. Stadt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres an. Zum gewünschten Termin erhielten die Kl. von der Bekl. keinen Betreuungsplatz nachgewiesen.

Für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der späteren Beschaffung eines Betreuungsplatzes verlangen die Kl. Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls (unter Anrechnung von Abzügen für anderweitige Zuwendungen und ersparte Kosten belaufen sich die Forderungen auf 4463,12 Euro, 2182,20 Euro bzw. 7332,93 Euro).

Prozessverlauf:

Das LG Leipzig hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat das OLG Dresden die Klagen abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die bekl. Stadt zwar ihre aus § 24 Abs. 2 SGB VIII folgende Amtspflicht verletzt habe; die Erwerbsinteressen der Kl. seien von dieser Amtspflicht aber nicht geschützt. Hiergegen richteten sich die Revisionen der Kl.

Die Entscheidung des BGH:

Der u. a. für Rechtsstreitigkeiten wegen Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG) zuständige III. Zivilsenat des BGH hat die Urteile des OLG Dresden aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Er hat im Einklang mit beiden Vorinstanzen das Vorliegen einer Amtspflichtverletzung der bekl. Stadt bejaht. Eine Amtspflichtverletzung liegt bereits dann vor, wenn der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe einem gem. § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt. Die  betreffende Amtspflicht ist nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt. Vielmehr ist der verantwortliche öffentliche Träger der Jugendhilfe gehalten, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen. Insoweit trifft ihn eine unbedingte Gewährleistungspflicht.

Entgegen der Auffassung des OLG bezweckt diese Amtspflicht auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern. In den Schutzbereich der Amtspflicht fallen dabei auch Verdienstausfallschäden, die Eltern dadurch erleiden, dass ihre Kinder entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhalten. Zwar steht der Anspruch auf einen Betreuungsplatz allein dem Kind selbst zu und nicht auch seinen Eltern. Die Einbeziehung der Eltern und ihres Erwerbsinteresses in den Schutzbereich des Amtspflicht ergibt sich aber aus der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie dem Sinn und Zweck und der systematischen Stellung von § 24 Abs. 2 SGB VIII. Mit dem Kinderförderungsgesetz, insbesondere der Einführung des Anspruchs nach § 24 Abs. 2 SGB VIII, beabsichtigte der Gesetzgeber neben der Förderung des Kindeswohls auch die Entlastung der Eltern zugunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit. Es ging ihm – auch – um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsleben und, damit verbunden, um die Schaffung von Anreizen für die Erfüllung von Kinderwünschen. Diese Regelungsabsicht hat auch im Gesetzestext ihren Niederschlag gefunden. Sie findet sich insbesondere in den Förderungsgrundsätzen des § 22 Abs. 2 SGB VIII bestätigt. Der Gesetzgeber hat hiermit zugleich der Erkenntnis Rechnung getragen, dass Kindes- und Elternwohl sich gegenseitig bedingen und ergänzen und zum gemeinsamen Wohl der Familie verbinden.

Demnach kommt ein Schadensersatzanspruch der Kl. aus Amtshaftung in Betracht, sodass die Berufungsurteile aufgehoben worden sind. Wegen noch ausstehender tatrichterlicher Feststellungen zum Verschulden der Bediensteten der Bekl. und zum Umfang des erstattungsfähigen Schadens hat der III. Zivilsenat des BGH die drei Verfahren nicht abschließend entschieden, sondern an das Berufungsgericht zurückverwiesen. In diesem Zusammenhang hat er auf Folgendes hingewiesen: Wird der Betreuungsplatz nicht zur Verfügung gestellt, so besteht hinsichtlich des erforderlichen Verschuldens des Amtsträgers zugunsten des Geschädigten der Beweis des ersten Anscheins. Auf allgemeine finanzielle Engpässe kann die Bekl. sich zu ihrer Entlastung nicht mit Erfolg berufen, weil sie nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

BGH, Urteile vom 20. 10. 2016 (III ZR 278/15, 302/15 und 303/15)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 185/2016 vom 20. 10. 2016)