BGH legt Fragen zum Widerrufsrecht beim Online-Matratzenkauf dem EuGH zur Vorabentscheidung vor

Der Kl. bestellte im Jahr 2014 über die Internetseite der Bekl., einer Onlinehändlerin, eine „D.“ Matratze zum Preis vom 1094,52 Euro. Die Matratze war bei Auslieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Kl. nach Erhalt entfernte. Einige Tage später teilte er der Bekl. per E-Mail mit, dass er die Matratze leider zurücksenden müsse und der Rücktransport durch eine Spedition veranlasst werden solle. Als die Bekl. dieser Aufforderung nicht nachkam, beauftragte der Kl. selbst eine Speditionsfirma. Weiterlesen…

OLG München: Umfang der Beratungspflichten des Versicherungsmaklers im Fernabsatz

Vertriebsrecht
Internetvergleichsportal
Umfang der Beratungspflichten des Versicherungsmaklers im Fernabsatz
UWG § 3 a; VVG § 61 Abs. 1 S. 1; VersVermV § 11 Abs. 1; BGB § 126 b
* 1. a) § 61 Abs. 1 S. 1 VVG enthält eine Marktverhaltensregelung i. S. d. § 3 a UWG.
b) § 61 Abs. 1 S. 1 VVG begründet keine eigenständige Pflicht des Versicherungsvermittlers zur Prüfung, ob die Voraussetzungen vorliegen, die eine Befragung oder Beratung des VN erforderlich machen.
c) Für Versicherungsmakler ist die Anwendung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 S. 1 VVG auf Fernabsatzverträge nicht in entsprechender Anwendung des § 6 Abs. 6 VVG ausgeschlossen. * Weiterlesen…

OLG Hamm: Hygienesiegel für Erotikartikel im Onlinehandel zulässig

Der 4. Zivilsenat des OLG Hamm hat heute die Berufung der klagenden Firma gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Bochum vom 10. 2. 2015 (12 O 202/14)  als unbegründet zurückgewiesen.

In der vor der Urteilsverkündung durchgeführten mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, dass der Kl. die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zustehen dürften, weil die Bekl. das Widerrufsrecht eines Verbrauchers beim Onlinehandel mit  den streitgegenständlichen Erotikartikeln aus Gründen des Gesundheitsschutzes gem. § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB ausschließen darf, wenn der Verbraucher die Verpackung unter Entfernung des angebrachten Hygienesiegels öffnet.

Unabhängig von der Fragestellung, ob ein Verbraucher beim Onlinekauf derartiger Gegenstände überhaupt erwartet, sie nach dem Öffnen einer versiegelten Verpackung zurückgeben zu dürfen, sprachen aus Sicht des Senats auch Gründe des Verbraucherschutzes für den Ausschluss des Widerrufsrechts in diesen Fällen. Der gebotene Gesundheitsschutz beim Vertrieb derartiger Artikel dürfte eher zu gewährleisten  sein, wenn nur mit originalverpackter Ware gehandelt wird und nicht etwa auch mit Artikeln, die von einem früheren Erwerber nach einem Öffnen einer versiegelten Verpackung – in Ausübung eines ihm eingeräumten Widerrufsrechts – zurückgegeben wurden.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision wurde zur Klärung der Tragweite der in Frage stehenden gesetzlichen Vorschrift zugelassen.

OLG Hamm, Urteil vom 22. 11. 2016 (4 U 65/15)

Pressemitteilung 136/16 des OLG Hamm vom 22. 11. 2016

Hygienesiegel

BGH: Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz nach Verbraucherwiderruf nach Einbau und Probefahrt

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob ein Verbraucher, der einen im Onlinehandel erworbenen Katalysator in sein Fahrzeug einbaut und anschließend eine Probefahrt unternimmt, nach dem daraufhin erfolgten Widerruf seiner Kauferklärung verpflichtet ist, dem Verkäufer Wertersatz für die bei der zurückgegebenen Sache eingetretene Verschlechterung zu leisten.

Tatbestand:

Der Kl. bestellte im Jahr 2012 über die Internetseite der Bekl., die einen Onlineshop für Autoteile betreibt, einen Katalysator nebst Montagesatz zum Preis von insgesamt 386,58 Euro. Nach Erhalt ließ er den Katalysator von einer Fachwerkstatt in sein Kfz einbauen. Als er nach einer kurzen Probefahrt feststellte, dass der Pkw nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte, widerrief er fristgerecht seine auf den Abschluss eines Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung und sandte den Katalysator, der nunmehr deutliche Gebrauchs- und Einbauspuren aufwies, an die Bekl. zurück. Diese teilte ihm daraufhin mit, der Katalysator sei durch die Ingebrauchnahme wertlos geworden, weswegen sie mit einem entsprechenden Wertersatzanspruch aufrechne und den Kaufpreis nicht zurückerstatten werde.

Das AG hat der auf Rückzahlung gerichteten Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf Berufung der Bekl. hat das LG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage nur teilweise stattgegeben, weil die Bekl. gegen den Rückzahlungsanspruch wirksam mit einem Wertersatzanspruch gem. § 357 Abs. 3 BGB a. F. wegen der am Katalysator eingetretenen Verschlechterungen aufgerechnet habe.

Mit der vom LG zugelassenen Revision begehrte die Kl. weiterhin die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises, während die Bekl. mit ihrer Anschlussrevision einen noch höheren Wertverlust des Katalysators berücksichtigt wissen will.

Aus den Gründen:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass dem Verbraucher beim Fernabsatz vor der Ausübung seines Widerrufsrechts kein wertersatzfreier Umgang mit der Kaufsache gestattet ist, der nicht nur zu Verschlechterung der Ware führt, sondern auch über die Maßnahmen hinausgeht, die zum Ausgleich ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im stationären Handel erforderlich sind.

Zwar entspricht es der erklärten Zielsetzung des nationalen und europäischen Gesetzgebers, dass der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften die Kaufsache vor Entscheidung über die Ausübung seines Widerrufsrechts nicht nur in Augenschein nehmen darf, sondern diese darüber hinaus auch einer Prüfung auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise unterziehen kann, ohne eine Inanspruchnahme für einen hieraus resultierenden Wertverlust befürchten zu müssen (§ 357 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB a. F.). Dies dient der Kompensation von Nachteilen aufgrund der dem Verbraucher im Fernabsatz entgehenden Prüfungs- und sonstigen Erkenntnismöglichkeiten, die im stationären Handel gegeben wären. Auch wenn der Kunde im Ladengeschäft die Ware häufig nicht auspacken, aufbauen und ausprobieren kann, stehen ihm dort doch typischerweise Musterstücke sowie Vorführ- und Beratungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich einen unmittelbaren Eindruck von der Ware und ihren Eigenschaften zu verschaffen.

Jedoch ist eine Ware, die – wie vorliegend der Katalysator – bestimmungsgemäß in einen anderen Gegenstand eingebaut werden soll, für den Käufer auch im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache überprüfbar. Den streitgegenständlichen Katalysator hätte der Kl. im stationären Handel nicht – auch nicht in Gestalt eines damit ausgestatteten Musterfahrzeugs – dergestalt ausprobieren können, dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kfz nach Einbau hätte testen können. Vielmehr wäre der Kl. bei einem Kauf im stationären Handel darauf beschränkt gewesen, das ausgewählte Katalysatormodell oder ein entsprechendes Musterstück eingehend in Augenschein zu nehmen und den Katalysator mit Alternativmodellen oder dem bisher verwendeten Teil zu vergleichen. Darüber hinaus hätte er sich beim Verkaufspersonal gegebenenfalls über die technische Daten des ausgewählten Modells erkundigen und sich über dessen Vorzüge oder Nachteile gegenüber anderen Modellen fachkundig beraten lassen können. Die vom Kl. ergriffenen Maßnahmen gehen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus. Sie stellen sich vielmehr als eine – wenn auch nur vorübergehende – Ingebrauchnahme des Katalysators dar, die ihm eine im stationären Handel unter keinen Umständen eröffnete Überprüfung der konkreten Auswirkungen des erworbenen Autoteils auf die Fahrweise seines Fahrzeugs in der Praxis verschaffen sollte. Eine solche Besserstellung des Verbrauchers im Onlinehandel ist weder vom nationalen noch vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt. Für die eingetretenen Verschlechterungen stünde der Bekl. deshalb ein Wertersatzanspruch gegen den Kl. zu, falls – was bislang noch nicht festgestellt ist – auch die Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB a. F. erfüllt wären.

Aus diesen Gründen hat der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zwar ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kl. die Grenzen des ihm wertersatzfrei zuzubilligenden Prüfungsrechts überschritten hat. Jedoch fehlen bislang Feststellungen dazu, ob der Kl. bereits bei Vertragsschluss – was das Gesetz in § 357 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB a. F. für einen Wertersatzanspruch des Verkäufers voraussetzte – spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf die Rechtsfolge einer möglichen Wertersatzverpflichtung hingewiesen worden war.

BGH, Urteil vom 12. 10. 2016 (VIII ZR 55/15, LG Berlin)

Pressemitteilung des BGH vom 12. 10. 2016 Nr. 179