Was gilt, wenn Versicherungsnehmer Mitarbeiter von Versicherern beleidigen?

Denkbare versicherungsvertragsrechtliche Sanktionen

Nicht allen ist es gegeben, die Regeln eines respektvollen Umgangs im zwischenmenschlichen Bereich zu wahren. Jeder hat es bereits erlebt, dass ein Mitmensch „sich vergisst“ und nicht selten auch strafrechtlich relevante Beleidigungen tätigt, die nicht mehr von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt sind. Oftmals ist der Beleidigte gut beraten, großzügig darüber hinweg zu sehen und so zur Deeskalation beizutragen. Allerdings gibt es immer wieder Einzelfälle, in denen eine solche Großzügigkeit nicht mehr Platz greifen kann. Ein aus den Medien bekanntes Beispiel sind die Beleidigungen, die die Grünen-Politikerin Renate Künast, erfahren musste, als sie in Nutzerkommentaren auf ihrer Facebook-Seite grob beschimpft worden war. Trotz der Eindeutigkeit dieses Einzelfalles musste Renate Künast einen langen Atem haben, bis die Gerichte sich zuletzt dazu entschieden haben, ihr im Hinblick auf einige Äußerungen „ehrherabsetzenden Inhalts“ Recht zu geben.

Wenn sich der Beleidigte also zur Wehr setzen möchte, ist es wichtig zu wissen, welche Folgen solche Beleidigungen haben können. Dabei sollen im Folgenden insbesondere die versicherungsvertragsrechtlichen Folgen behandelt werden, die eintreten können, wenn der Beleidigende ein „unzufriedener“ Versicherungsnehmer ist und der Beleidigte ein Mitarbeiter seines Versicherers. Denn auch (Versicherungs-)Unternehmen, ihre Vorstandsmitglieder und/oder Mitarbeiter sind in der Vergangenheit immer wieder unerträglichen fortlaufenden Verbalattacken von Versicherungsnehmern ausgesetzt, die zum Teil auch gegenüber Dritten wie z.B. der Aufsichtsbehörde und/oder der Presse erfolgen. Die Bearbeitung solcher Fälle bringt Beleidigungen zu Tage, die mit denen, die Renate Künast zu ertragen hatte, durchaus vergleichbar sind und darüber hinaus z.B. auch Vergleiche mit „Nazi“- oder „Stasi“-Methoden nicht ausnehmen. Wie kann sich in einem solchen Fall der Einzelne und/oder das Unternehmen dagegen zur Wehr setzen? Weiterlesen…

BGH: Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung bei einem Präsenzgeschäft

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat darüber entschieden, welche Bedeutung den besonderen Umständen der konkreten Vertragssituation bei der Bewertung einer Widerrufsbelehrung zukommt.

Tatbestand:

Die Kl. verlangten nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die Erstattung der von ihnen gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Sie schlossen mit der Bekl. am 15. 2. 2006 zur Finanzierung einer Immobilie einen Verbraucherdarlehensvertrag über nominal 106 000 Euro mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Der Vertragsabschluss gestaltete sich so, dass ein Mitarbeiter der Bekl. und die Kl. – alle drei zeitgleich an einem Ort anwesend – die den Kl. erstmals vorgelegten schriftlichen Vertragsunterlagen unterzeichneten.

Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die u. a. folgenden Passus enthielt:
„Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag[,] nachdem Ihnen
– eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und
– die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags
zur Verfügung gestellt wurden“.

Im Herbst 2014 wollten die Kl. die finanzierte Immobilie verkaufen. Deshalb traten sie an die Bekl. heran, um das Darlehen vorzeitig abzulösen. Die Bekl. machte den Abschluss einer „Aufhebungsvereinbarung“ von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 4569,82 Euro abhängig. Die Kl. gaben eine darauf gerichtete Willenserklärung am 21. 10. 2014 „unter dem Vorbehalt einer Überprüfung des geschlossenen Darlehensvertrages einschließlich der Widerrufsbelehrung“ ab. Sie entrichteten die von der Bekl. beanspruchte Vorfälligkeitsentschädigung. Unter dem 21. 11. 2014 widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Das AG hat die Klage auf Erstattung der Vorfälligkeitsentschädigung und vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung hat das LG zurückgewiesen. Mit ihrer vom LG zugelassenen Revision verfolgten die Kl. ihr Zahlungsbegehren weiter. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Aus den Gründen:

Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen leitend:

Die von der Bekl. erteilte Widerrufsbelehrung ist als vorformulierte Erklärung gemäß den im Recht der AGB geltenden Grundsätzen objektiv auszulegen. Nach dieser Maßgabe ist sie unzureichend deutlich formuliert, weil sie entgegen der für die Vertragsbeziehungen der Parteien maßgebenden Rechtslage so verstanden werden kann, die Widerrufsfrist laufe unabhängig von der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers an.

Ob die Kl. die anlässlich eines Präsenzgeschäfts erteilte Belehrung in Übereinstimmung mit der Bekl. stillschweigend richtig dahin verstanden haben, das Anlaufen der Frist setze die Abgabe ihrer Vertragserklärung voraus, ist unerheblich. Denn der Verbraucher war hier zu seinen Gunsten zwingend in Textform zu belehren, sodass die Widerrufsbelehrung nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen Verständnisses der Vertragsparteien korrigiert werden kann. Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers kommt es nicht an. Der BGH hat außerdem seine Rechtsauffassung bestätigt, dass eine Aufhebungsvereinbarung einen anschließenden Widerruf nicht hindert.

Das LG wird nach Zurückverweisung der Sache nunmehr anhand der vom BGH in seinen Entscheidungen vom 12. 7. 2016 (XI ZR 501/15 und XI ZR 564/15) niedergelegten und vom LG, das vorher entschieden hat, noch nicht berücksichtigten Grundsätze der Frage nachzugehen haben, ob die Kl. mit der Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben verstoßen haben.

BGH, Urteil vom 21. 2. 2017 (XI ZR 381/16, LG Krefeld)
(Pressemitteilung des BGH Nr. 19 vom 21. 2. 2017)