Augen auf in historischen Gebäuden
Ist ein Gebäude erkennbar nach einem historischen Vorbild errichtet worden, so kann ein Besucher weder damit rechnen, dass der Fußboden so gleichmäßig flach ist wie in einem modernen Gebäude, noch kann er erwarten, dass er vor Unebenheiten durch besondere Schilder gewarnt wird. Das hat der 11. Zivilsenat des OLG Schleswig entschieden und eine Schadensersatzverpflichtung eines Tierparkbetreibers gegenüber einer Besucherin verneint, die gestürzt war.
I. Was war passiert?
Die Kl. besuchte im September 2014 das Gelände eines Tierparks, auf dem sich auch die Nachbildung eines historischen Geestbauernhofs befindet. Der Eingangsbereich des Bauernhauses weist aufgrund unterschiedlicher Pflasterungen Höhenunterschiede und Unebenheiten auf. Beim Betreten des Gebäudes stürzte die Kl. und verletzte sich erheblich. Sie verlangte die Feststellung, dass der Tierparkbetreiber den ihr entstandenen Schaden ersetzen muss, weil er die unebene Stelle weder beseitigt noch ausreichend gesichert hat.
II. Die Entscheidungen der Gerichte
Das LG Kiel hat die Klage in erster Instanz mit der Begründung abgewiesen, dass die Unebenheit im Pflaster auch dann nicht als pflichtwidrig anzusehen ist, wenn Warnhinweise fehlen.
Das OLG Schleswig bestätigte dieses Urteil. Den Bekl. traf keine Pflicht, die vorhandene Rinne im Eingangsbereich des Gebäudes zu beseitigen oder davor in besonderer Weise zu warnen. In einem Tierpark ist schon ganz generell mit unebenen Wegen und unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit zu rechnen. Besonders gilt dies bei Gebäuden, die erkennbar nach einem historischen Vorbild errichtet worden sind. Dort kann der Besucher keine Bodenbeschaffenheit wie bei modernen Gebäuden erwarten und gerade im Eingangsbereich muss er mit Schwellen, Stufen oder sonstigen Veränderungen rechnen. In diesem Bereich muss er deshalb besonders vorsichtig sein. Das gilt umso mehr, als man beim Betreten des Gebäudes von einem hellen, sonnigen Bereich in einen dunklen, schattigen Bereich hineintritt und das Auge eine gewisse Zeit braucht, um sich auf die veränderten Lichtverhältnisse einzustellen. Die Kl. war offensichtlich nicht vorsichtig genug, denn sonst hätte sie die Unebenheit und den Höhenunterschied erkannt.
OLG Schleswig, Beschluss vom 23. 3. 2016 (11 U 97/15)
(Pressemitteilung Nr. 6 vom 21. 4. 2016)