Neuer Richter am Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat)

Neuer Richter am Bundesgerichtshof: Der Bundespräsident hat Richter am Oberlandesgericht Dr. Oliver Klein zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt.

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Klein ist 42 Jahre alt. Nach Abschluss seiner juristischen Ausbildung trat er 2002 in den höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg ein. Nach Tätigkeiten bei der Staatsanwaltschaft Freiburg sowie dem Amts- und Landgericht Baden-Baden war er von August 2005 bis Juli 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. In dieser Zeit – am 4.10.2006 – wurde er zum Staatsanwalt (im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) ernannt. Seit August 2008 war Herr Dr. Klein der Staatsanwaltschaft Freiburg zugewiesen. Jeweils im Abordnungswege war er von Februar 2011 bis Juli 2013 im Bundeskanzleramt, sodann bis April 2014 – am 1.8.2013 zum Richter am Amtsgericht Freiburg ernannt – bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe und schließlich bis Februar 2015, dabei seit Ende 2014 nur noch mit einem Teil seiner Arbeitskraft, bei dem Landgericht Freiburg tätig. Am 30.12.2014 erfolgte seine Beförderung zum Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe.

Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat Herrn Dr. Klein dem vornehmlich für das Recht der unerlaubten Handlungen sowie das Arzthaftungsrecht zuständigen VI. Zivilsenat zugewiesen.

Mitteilung der Pressestelle Nr. 111/2016 vom 4.7.2016

OLG Hamm: Patientenwunsch rechtfertigt keine Fehlbehandlung

In einer aktuellen Pressemitteilung befasst sich das OLG Hamm mit einer Entscheidung des 26. Zivilsentats. Hier ging es um eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung:

„Verlangt ein Patient eine Behandlung, die gegen medizinischen Standard verstößt, muss ein Arzt diese ablehnen. Auch eine eingehende ärztliche Aufklärung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiert kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Unter Hinweis auf diese Grundsätze hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm am 26.4.2016 die erstinstanzliche Verurteilung eines Zahnarztes aus H. durch das LG Bochum bestätigt.“

Tatbestand

„Die heute fünfzigjährige Klägerin aus H. ließ sich von Ende des Jahres 2008 bis Anfang des Jahres 2010 vom beklagten Zahnarzt behandeln. Sie war mit einer durch einen anderen Zahnarzt eingegliederten Krone im Seitenzahnbereich unzufrieden und äußerte den Wunsch nach einer Sanierung ihrer Frontzähne. Der Beklagte stellte in ihrer Funktion gestörte Kiefergelenke, eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD), fest. Diese wollte er zunächst mit einer Aufbissschiene therapieren, sodann die Seitenzähne stabilisieren, um erst dann mit der Sanierung der Frontzähne zu beginnen. Auf Wunsch der Klägerin  – so die Darstellung des Beklagten – begann er dann jedoch vorzeitig mit der Frontzahnsanierung. Infolge der Behandlung stellten sich bei der Klägerin eine zu niedrige Bisshöhe und eine Kompression der Kiefergelenke ein. Wegen der nach ihrer Auffassung fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung hat die Klägerin vom Beklagten Schadensersatz verlangt, u.a. 25.000 Euro Schmerzensgeld, ca. 17.300 Euro Haushaltsführungsschaden sowie die Rückzahlung des an den Beklagten geleisteten Zahnarzthonorars von ca. 3750 Euro.

Das LG hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben, die Ersatzpflicht des Beklagten für weitere Schäden festgestellt und ihn zur Rückzahlung des Zahnarzthonorars verurteilt. Die Ermittlung der konkreten Schadenshöhe hat das Landgericht dem – noch durchzuführenden – Betragsverfahren vorbehalten.
Die Berufung des Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist erfolglos geblieben.“

Aus den Günden:

„Der von einem zahnmedizinischen Sachverständigen beratene 26. Zivilsenat des OLG Hamm hat die vom LG dem Grunde nach festgestellte Schadensersatzpflicht des Beklagten bestätigt. Die Klägerin habe, so der Senat, unter einer CMD geglitten. Diese habe der Beklagte zunächst auch fachgerecht therapieren wollen. Hiervon habe er sich aber abbringen lassen und die notwendige Schienentherapie nicht im erforderlichen Umfang durchgeführt. Die endgültige Frontzahnsanierung habe er behandlungsfehlerhaft zu früh begonnen. Hierdurch sei die Bisshöhe falsch festgelegt worden, es habe sich eine Kompression der Kiefergelenke eingestellt, die durch die weitere Behandlung nicht beseitigt worden sei.
In diesem Zusammenhang könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass die Klägerin ein Vorziehen der Frontzahnsanierung ausdrücklich verlangt habe. Selbst wenn man ein solches Verlangen unterstelle, verstoße die gewünschte Behandlung gegen den medizinischen Standard und habe vom Beklagten abgelehnt werden müssen. Auch eine eingehende ärztliche Belehrung über die möglichen Behandlungsfolgen legitimiere kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Im Übrigen habe der Beklagte auch nicht hinreichend dargelegt, die Klägerin eindringlich auf die dauerhaften Beeinträchtigungen und Auswirkungen einer perpetuierten CMD hingewiesen zu haben.
Die Klägerin habe zudem Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Zahnarzthonorars. Die Leistung des Beklagten sei insgesamt unbrauchbar gewesen und könne bei der künftigen zahnärztlichen Behandlung der Klägerin keine Verwendung finden.
Rechtskräftiges Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26.04.2016 (26 U 116/14)“

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 27.6.2016

AG München: Vereinsmitglied im Recht

Eine Haftungsbeschränkung in allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit ist unwirksam, wenn die Klausel unverständlich ist.

Der Kläger aus München ist Mitglied in einem Verein zur Wahrnehmung und Förderung der Interessen des Kraftfahrzeugwesens und des Motorsports. Der Mitgliedsvertrag beinhaltet die Verpflichtung zur Pannen- und Unfallhilfe, um die Fahrbereitschaft des Fahrzeugs herzustellen. In den allgemeinen Vertragsbedingungen des Vereins findet sich folgende Klausel: „5. Für Leistungsstörungen bei Pannen- und Unfallhilfe haften wir, wenn wir oder unsere Vertragspartner vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt haben, soweit es nicht die wesentlichen Hauptpflichten des Vertrages oder Körperschäden betrifft.“ Am 24.2.2015 ließ der Kläger seinen PKW Volvo um 5 Uhr morgens von einem Pannenhelfer, der für den Verein tätig ist, öffnen, da sein PKW-Schlüssel im abgesperrten PKW lag.

Nach der Fahrzeugöffnung wies die Windschutzscheibe einen Schaden auf. Der Kläger ließ die Windschutzscheibe durch ein Autoglasunternehmen zum Preis von 874,84 € brutto ersetzen und verlangt den Schaden vom Verein ersetzt. Der Kläger behauptet, der Pannenhelfer habe beim Öffnen der Fahrzeugtüre die Windschutzscheibe beschädigt. Der Pannenhelfer habe versucht, den Fahrzeugschlüssel mit einer langen Metallstange herauszubekommen. Hierbei habe er die Metallstange unter Spannung gesetzt. Die Metallstange sei dann ausgerutscht und von Innen gegen die Frontscheibe geprallt, die hierdurch einen Schaden in Form eines Loches erlitten habe.

Der Verein weigert sich zu zahlen. Es greife die vertragliche Haftungsbeschränkung, weil das Verhalten des Pannenhelfers nicht grob fahrlässig gewesen sei. Fahrzeuge der Marke Volvo ließen sich nur sehr schwer öffnen. Selbst das Einschlagen der Seitenscheibe wäre nicht grob fahrlässig, sondern werde – wenn der Kunde hiermit einverstanden sei – tagtäglich in Deutschland durchgeführt. Es müsse ferner der Charakter der Pannenhilfe gewürdigt werden, bei der dem Vereinsmitglied in möglichst kurzer Zeit und mit wenig Aufwand geholfen werden solle.

Daraufhin erhob der Kläger Klage zum Amtsgericht München. Der zuständige Richter gab dem Kläger teilweise Recht und verurteilte den Verein zur Zahlung von 577,40 Euro.

Das Gericht geht davon aus, dass der Schaden durch die Metallstange verursacht wurde. Der Pannenhelfer habe fahrlässig den Schaden verursacht. Die Klausel Nummer 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die die Haftung des Vereins auf grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten beschränkt, ist nach Auffassung des Gerichts unwirksam.

„Die Klausel Nr. 5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (…) verstößt gegen das Verständlichkeitsgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn es ist vorliegend für einen typischen Verbraucher (noch nicht einmal für einen Juristen) hinreichend verständlich, was die Haftungsbeschränkung umfasst, weil der Begriff „wesentliche Hauptpflichten“ zu vage ist und weder durch eine abstrakte Erklärung noch durch Regelbeispiele näher erläutert wird.“

Das Gericht hat jedoch den Schadensersatzanspruch um ein Drittel wegen eines Mitverschuldens des Klägers gekürzt. Denn der Pannenhelfer „hatte den Kläger vor Beginn der Arbeiten auf die besondere Schwierigkeit bzw. Unmöglichkeit der Öffnung von Fahrzeugen dieses Typs hingewiesen. Die klägerische Zustimmung zu dieser gefahrgeneigten Fahrzeugöffnung begründet ein Mitverschulden“, so die Urteilsgründe.

Urteil des Amtsgerichts München vom 15.4.16
Aktenzeichen 274 C 24303/15
Das Urteil ist rechtskräftig.

(Pressemitteilung vom 3. 6. 2016 Nr. 43/16)