VersR BLOG: Lockdown für die Rente? – Leistungsansprüche trotz Unmöglichkeit der Berufsausübung

Stellen wir uns vor: Einem gegen Berufsunfähigkeit versicherten Eventmanager verschließt eine Depression die Akquise von und die Kommunikation mit Kunden und Dienstleistern. Dann kommt es zur Pandemie und zu Veranstaltungsverboten. Dem Manager fehlen die Events. Entfällt damit auch sein Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsrente?

Das ist kein neues – weil ein Lockdown vorübergeht –, vermutlich auch kein besonders relevantes, aber ein von der Pandemie abgesehen generalisierbares und kaum geklärtes Problem: Was gilt eigentlich in Fällen, in denen vor oder nach dem Versicherungsfall die rechtliche Möglichkeit zur Ausübung des Berufs entfällt: Der berufsunfähige Busfahrer verliert seine Fahrerlaubnis, der schwer erkrankte Anwalt wird wegen Veruntreuung von Mandantengeldern verhaftet, der nachhaltig anpassungsgestörte Arzt, der betrügerisch Rezepte ausgestellt hat, erhält ein Berufsverbot. So fern liegt das nicht.

Beruht die rechtliche Unmöglichkeit zur Ausübung des Berufs letztlich auf gesundheitlichen Gründen – ein Beispiel sind die epilepsiebedingten Fahrverbote – so ist und bleibt der Versicherungsfall Berufsunfähigkeit eingetreten. Entfallen sie, weil die ärztliche Behandlung die Krankheit beherrschbar gemacht hat, ist der Versicherer zur Einstellung seiner Leistungen im Wege der Nachprüfung berechtigt (OLG Hamm v. 11.2.1994 – 20 U 151/93, VersR 1995, 84; LG Bamberg v. 11.12.2020 – 41 O 123/20, BeckRS 2020, 49055).

Aber was gilt, wenn die versicherte Person völlig unabhängig von ihrer Gesundheit beruflich nicht mehr tätig werden darf? Es wäre vorschnell sich auf den BGH zu berufen, der die „rechtliche Unmöglichkeit“ zur Berufsausübung (einer in den Ruhestand versetzten Amtsärztin) für unerheblich erklärt hat (BGH v. 7.3.2007 – IV ZR 133/06, VersR 2007, 821): Das obiter dictum betraf das Fehlen einer Beamtenklausel im Vertrag und damit (nur) die Notwendigkeit, die Berufsunfähigkeit dienstrechtsunabhängig festzustellen.

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Sars-Cov-2 und die Semantik von Versicherungsbedingungen

Fällt die Pandemie unter den Schutz der Betriebsschließungsversicherung?

Sars-Cov-2 verursacht verheerende gesellschaftliche und ökonomische Schäden. Aber das Virus bewirkt auch Lernprozesse – bei der Entwicklung von Impfstoffen, der Digitalisierung, dem Verhältnis von Legislative und Exekutive und, vielleicht, auch der Auslegung und Gestaltung von Versicherungsbedingungen. Die Betriebsschließungsversicherung, lange Zeit ein Mauerblümchen juristischen Interesses, tritt ein, wenn die zuständige Behörde versicherte Betriebe aus infektionsschutzrechtlichen Gründen ganz (je nach den AVB auch teilweise) schließt, um die Verbreitung „meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger“ zu verhindern. Die Unsicherheiten der Einschätzung, ob Deckung besteht, ergeben sich aus der Buntheit der Klauseln, die zu benennen versuchen, was der jeweilige Vertrag als in diesem versicherungsvertraglichen Sinne „meldepflichtig“ (und damit als bakteriellen oder viralen Auslöser des Versicherungsfalls) betrachtet. Weiterlesen…