LSG Essen: Krankenversicherung der Rentner für Beamtengattin?

Dieses hat das LSG Essen in seinem Urteil vom 9.5.2019 bestätigt.

Die Klägerin erzog sechs Kinder. In der Zeit von 1990 bis 2000 war sie aufgrund ihrer Berufstätigkeit bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versichert. Seit 2001 verfügt sie über ihren Ehemann, einen zwischenzeitlich pensionierten Beamten, über einen Beihilfeanspruch in Höhe von 70%. Im Umfang der restlichen 30% unterhält sie eine private Krankenversicherung. Seit 2008 bezieht die Klägerin Altersrente. Nach der Neuregelung des § 5 Abs. 2 S. 3 SGB V zum 1.8.2017 beantragte sie die Aufnahme in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR), was die Beklagte ablehnte.

Auch das LSG Essen hat nun festgestellt, dass die Klägerin nicht von der Gesetzesänderung profitiere. Zwar seien danach für die Erziehung pro Kind drei Jahre auf die für die Aufnahme in die KVdR erforderliche Mitgliedszeit anzurechnen. Allerdings schließe § 6 Abs. 3a SGB V eine Mitgliedschaft aus, denn die Klägerin sei am 1.8.2017 bereits älter als 55 Jahre und in den letzten fünf Jahren zuvor nicht gesetzlich versichert gewesen. Zudem werde ihr die Versicherungsfreiheit ihres Ehemanns zugerechnet.

Die Neuerung hinsichtlich der Erziehungszeiten ändere nichts am Ziel der Ausschlussregelung, die Beitragszahler vor einer unzumutbaren Belastung infolge eines Wechsels zwischen den Versicherungssystemen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung zu schützen. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn derjenige versicherungsfrei sein solle, der der Sphäre der privaten Krankenversicherung zuzuordnen sei und gerade nicht über einen ausreichenden Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung verfüge, wie dies bei Ehegatten von Beamten (bzw. Pensionären) der Fall sei. Die Ausdehnung der Versicherungsfreiheit auf diese sei auch nicht gleichheitswidrig. Da es sich bei der Sicherung der finanziellen Stabilität und damit der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang handele, könne der Gesetzgeber den Kreis der Pflichtversicherten so abgrenzen, wie es für die Begründung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich sei.

LSG Essen, Urteil vom 9.5.2019  (L 5 KR 658/18)

Pressemittilung des LSG Essen vom 2.7.2019

SG Münster: Unfallbedingt bezogene Erwerbsminderungsrente bleibt auch nach Abfindungsvergleich gekürzt

Bezieht ein Bürger nach einem Verkehrsunfall eine Rente wegen Erwerbsminderung, so ist diese Rente für jeden Monat der Inanspruchnahme vor Erreichen der Regelaltersgrenze zu kürzen. Das gilt auch dann, wenn die Rentenversicherung mit der Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers eine Vereinbarung über die finanziellen Unfallfolgen abschließt. Dies hat das SG Münster entschieden. Weiterlesen…

Dr. Timo Car, Rentenkürzungsschaden: Karlsruhe und Kassel locuta, causa non finita

Mit dem Begriff „Rentenkürzungsschaden“ bezeichnet nunmehr auch das BSG nach dem BGH gleichermaßen die wirtschaftliche Einbuße, welche der Geschädigte eines fremdverursachten Schadensfalls aufgrund der schadensfallbedingten vorzeitigen Inanspruchnahme einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erleiden kann. Weiterlesen…

SG Stuttgart: Keine Erstattung der Witwenrente, wenn eine Anrechnung der Altersrente auf die Hinterbliebenenrente unterblieben ist

Bewilligt dieselbe Behörde einer Versicherten zwei Renten (Witwenrente und Altersrente) und teilt sie in den Rentenanpassungsmitteilungen die jeweils aktuelle Rentenhöhe für beide Renten im selben Schreiben mit, so muss der Versicherte nicht damit rechnen, dass eine Anrechnung der Altersrente auf die Hinterbliebenenrente unterblieben ist.

Tatbestand:

Die Klägerin bezog seit dem Jahr 2000 von der Beklagten eine Witwenrente. Im Jahr 2003 beantrage sie bei der Beklagten eine Altersrente. Ob sie in dem Antrag auf Altersrente den Bezug der Witwenrente angegeben hat, lies sich nicht mehr ermitteln, da die Beklagte den Antrag vernichtet hat. Die Beklagte gewährte der Klägerin ab Juni 2003 eine Altersrente. Eine Anrechnung der Altersrente auf die Witwenrente der Klägerin unterblieb. Erst nach einem Zeitraum von über 11 Jahren erfuhr die für die Witwenrente zuständige Sachbearbeitung von der Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte hob die Witwenrente in der Folgezeit ab Juni 2003 teilweise auf und verfügte die Erstattung des überzahlten Betrages von nahezu 9.000 €. Eine Reduzierung im Ermessenswege erfolgte nicht.

Aus den Gründen:

Die Kammer hat den Bescheid aufgehoben, da die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 SGB X (i.V.m. § 45 Abs. 3 S. 3 und 4) nach einer Zeit von über 10 Jahren seit Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht mehr vorlägen, da eine Mitteilungspflichtverletzung der Klägerin nicht nachweisbar sei und sie davon habe ausgehen können, dass die Beklagte, die ja beide Renten bewilligt habe und die über die jährliche Anpassung beider Renten in einem Schreiben informiert habe, auch bei der Bewilligung berücksichtigt habe, dass zwei Renten gezahlt würden. Die Fehlerhaftigkeit der unverminderten Weitergewährung der Witwenrente habe die Klägerin nicht erkannt und auch nicht erkennen müssen. Zudem habe die Beklagte ihr Mitverschulden nicht hinreichend bei der Ermessensausübung berücksichtigt.

SG Stuttgart, Urteil vom 23.6.2017 (S 13 R 5384/15)

Auszug der aktuellen Rechtsprechung des SG Stuttgart (Stand: August 2017)

Jürgen Jahnke, Mit § 119 SGB X zwischen den Stühlen

Der Aufsatz von Jürgen Jahnke mit dem Titel „Mit § 119 SGB X zwischen den Stühlen“ ist zugleich eine Anmerkung zum Urteil des OLG Braunschweig vom 27. 10. 2015 (7 U 61/14) das in VersR 2016, 620 veröffentlicht ist.
Das Braunschweiger Verfahren (LG und OLG) befasst sich mit der Kürzung einer Altersrente nach § 77 SGB VI – trotz vollem Rentenbeitragsregress nach § 119 SGB X – als Folge eines Haftpflichtschadens sowie der Bedeutung des § 187 a SGB VI in diesem Zusammenhang.
Der Kl. verlangt im Zivilrechtsweg von der bekl. Haftpflichtversicherung des Schädigers Schadensersatz, da der gesetzliche Rentenversicherer ihm unter Hinweis auf § 77 SGB VI nur eine gekürzte Regelaltersrente zahlt. Parallel führt der Kl. einen Prozess gegen den Rentenversicherungsträger vor dem SG mit dem Ziel einer Neubewertung seiner auf dem Beitragskonto befindlichen Rentenversicherungsbeiträge. Beide Verfahren haben identische Anliegen: Würde der Kl. in beiden Verfahren obsiegen, wäre er in Höhe der mit der Zivilklage geltend gemachten Rentendifferenz bereichert. Weiterlesen…