OLG Hamm: Akuter Marderbefall ist ein Sachmangel, ehemaliger Marderbefall muss kein Sachmangel sein

Der akute Befall eines Wohnhauses mit Mardern ist ein Sachmangel, über den der Verkäufer des Hausgrundstücks aufzuklären hat. Ein weiter zurückliegender Marderbefall ist demgegenüber kein aufklärungspflichtiger Sachmangel. Das hat der 22. Zivilsenat des OLG Hamm am 13.2.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Hagen bestätigt. Weiterlesen…

AG Coburg: Ordnungsgemäße Mängelbeseitigung durch markenfremde Ersatzteile?

Die Klage eines Käufers auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten blieb erfolglos, weil der Verkäufer den aufgetretenen Mangel an einem Kleidungsstück bereits ordnungsgemäß beseitigt hatte.

Muss es der Käufer eines Markenartikels hinnehmen, wenn der Verkäufer ein mangelhaftes Teil durch ein neues ersetzt, dieses aber von einem anderen Hersteller stammt? Eine Antwort auf diese Frage mag zunächst einfach erscheinen, wenn man etwa an den Einbau markenfremder Herstellerlogos an der weithin sichtbaren Front eines Autos denkt. Gilt das aber auch dann noch, wenn das defekte Teil nach außen hin überhaupt nicht erkennbar ist und durch ein neues Teil ersetzt wird, das ebenso gut funktioniert? Weiterlesen…

OLG Stuttgart: Keine Schadensersatzpflicht des errichtenden Unternehmens nach Havarie einer Biogasanlage

Mit am 22. 11. 2016 verkündetem Berufungsurteil hat der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart die Schadensersatzklage gegen das errichtende Unternehmen wegen der Havarie einer Biogasanlage im Dezember 2007 auch in zweiter Instanz abgewiesen. Das erstinstanzliche Urteil des LG Ravensburg hat der Senat damit im Ergebnis bestätigt. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass das Werk der Bekl. im Bereich der Verschraubung zwar einen wesentlichen Mangel aufgewiesen hat. Es sei jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dieser Mangel für den eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist.

Aus den Gründen:

In seinem Urteil stellt der Senat fest, dass das Werk der Bekl. bei der Verschraubung im unteren Bereich des Fermenters einen wesentlichen Mangel aufgewiesen habe. Durch eine unsachgemäße Verschraubung sei die Scherfläche der Schrauben teilweise nicht in ihrem Schaft, sondern im Gewinde gelegen. Dadurch habe die tatsächliche Beanspruchbarkeit der Schrauben um 11 % unter der berechneten gelegen. Bei (angenommener) voller Befüllung des Fermenters und unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte hätte der Fermenter wegen der Mängel der Verschraubung im unteren Ring versagt.

Die Kl. machten als Schaden keine Mangelbeseitigungskosten (z. B. für eine Nachbesserung der Schrauben) geltend, sondern Mangelfolgeschäden an der baulichen Anlage sowie in Form von vergeblichen Aufwendungen als Folge der Havarie des Fermenters (sogenannte nahe und ferne Mangelfolgeschäden nach § 13 Nr. 7 Abs. 3 S. 1 und S. 2 VOB/B 2006). Die Bekl. habe den Kl. diese Schäden nur zu ersetzen, wenn der Schaden adäquat kausal durch den Mangel zumindest mitverursacht wurde. Dazu müsse der Mangel notwendige Bedingung für den geltend gemachten Folgeschaden sein. Hierfür gälten die in § 287 ZPO vorgesehenen Beweiserleichterungen; nach der Rechtsprechung des BGH reiche daher eine überwiegende Wahrscheinlichkeit.

Vorliegend sei es jedoch – so der Senat – nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Mangel der Verschraubung für den eingetretenen Schaden mitursächlich geworden ist:

  • Es stehe fest, dass dieser Mangel nicht die alleinige Ursache für das Schadensereignis sein könne. Die vom Gericht beauftragte Sachverständige habe errechnet, dass die Standsicherheit der Anlage – unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Havarie bestehenden Füllhöhe von mindestens 17 m bei einer maximal zulässigen Höchstfüllmenge von 19 m und von Scherfugen im Gewinde – nachgewiesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe vor einem Versagen des Fermenters noch eine Sicherheit von 20 % bestanden, weil die Anlage noch nicht vollständig befüllt gewesen sei; erst mit einem zusätzlichen Innendruck von 0,5 bar hätte die Konstruktion in dieser Situation versagt.
  • Die Überbeanspruchung der stählernen Fermenterhülle sei nach den überzeugenden Ausführungen des weiteren gerichtlichen Sachverständigen zumindest sehr wahrscheinlich durch eine Explosion oder Verpuffung im Gasraum des Fermenters entstanden. Nach Lufteintritt sei in einem Teilbereich des Fermenters ein explosives Methan-Luft-Gemisch entstanden. Eine Zündung dieses Gases sei zumindest wahrscheinlich, auch wenn eine eindeutige Zündquelle nicht auszumachen sei.
  • Es könne nicht festgestellt werden, dass die Mangelhaftigkeit der Schrauben daneben überwiegend wahrscheinlich für die geltend gemachten Schäden mit ursächlich war. Wäre die Verschraubung des Fermenters fachgerecht und damit mangelfrei erfolgt, hätte der betroffene Bereich erst bei einem zusätzlichen Druck von 1,25 bar versagt. Welcher Überdruck durch die Explosion oder Verpuffung im Fermenter ausgelöst wurde, habe der Sachverständige zwar nicht beziffern können. Ein Überdruck von mehr als 1,25 bar, den auch ein mangelfreier Fermenter im Bereich der Verschraubungen nicht ausgehalten hätte, sei aber nicht hinreichend auszuschließen. Im Übrigen hätte die Konstruktion des Fermenters auch bei Mangelfreiheit schon ab einem Überdruck von rechnerisch ca. 0,5 bar an anderen Stellen versagt. Die gerichtliche Sachverständige hielt einen Beginn der Havarie im Bereich der Mangelhaftigkeit des Werks der Bekl. für wahrscheinlich, aber nicht für sehr wahrscheinlich. Es bleibe danach auch unter Berücksichtigung des Schadensbildes offen, ob die mangelbedingte Schwachstelle auf den Schadenshergang einen Einfluss hatte.

Die Revision zum BGH hat der Senat nicht zugelassen. Die Kl. können hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde erheben.

OLG Stuttgart, Urteil vom 22. 11. 2016 (10 U 22/16)

Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 22. 11. 2016

BGH: Nachbesserung bei „Vorführeffekt“ im Rahmen der Kfz-Sachmängelgewährleistung

Der BGH hat sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob es einem Käufer nach § 440 Satz 1 BGB zumutbar ist, dass der Verkäufer die geschuldete Nachbesserung bei einem nur sporadisch auftretenden, aber für die Verkehrssicherheit relevanten Mangel eine aufwendige Untersuchung zunächst unterlässt und den Käufer darauf verweist, das Fahrzeug bei erneutem Auftreten der Mangelsymptome wieder vorzuführen. Weiterlesen…

BGH: Erweiterter Anwendungsbereich der Beweislastumkehr nach § 476 BGB zugunsten des Verbrauchers

Der BGH hat sich mit der Reichweite der Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf beschäftigt.

Tatbestand:

Der Kl. kaufte von der Bekl., einer Kfz-Händlerin, einen gebrauchten Pkw des Typs BMW 525d Touring zum Preis von 16.200 Euro. Nach knapp fünf Monaten und einer vom Kläger absolvierten Laufleistung von rd. 13.000 km schaltete die im Fahrzeug eingebaute Automatikschaltung in der Einstellung „D“ nicht mehr selbstständig in den Leerlauf; stattdessen starb der Motor ab. Ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen war nicht mehr möglich. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mangelbeseitigung trat der Kl. vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz geltend gemachter Schäden.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das OLG hat im Einklang mit dem LG die Auffassung vertreten, der Kl. habe nicht den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass das Fahrzeug bereits bei seiner Übergabe einen Sachmangel aufgewiesen habe. Zwar seien die aufgetretenen Symptome nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen auf eine zwischenzeitlich eingetretene Schädigung des Freilaufs des hydrodynamischen Drehmomentwandlers zurückzuführen. Auch sei es grundsätzlich möglich, dass der Freilauf schon bei der Übergabe des Fahrzeugs mechanische Veränderungen aufgewiesen habe, die im weiteren Verlauf zu dem eingetretenen Schaden geführt haben könnten. Nachgewiesen sei dies jedoch nicht. Vielmehr komme als Ursache auch eine Überlastung des Freilaufs, mithin ein Bedienungsfehler des Kl. nach Übergabe in Betracht.

Bei einer solchen Fallgestaltung könne sich der Kl. nicht auf die zugunsten eines Verbrauchers eingreifende Beweislastumkehrregelung des § 476 BGB berufen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH begründe diese Vorschrift lediglich eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung dahin, dass ein innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang aufgetretener Sachmangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen habe. Sie gelte dagegen nicht für die Frage, ob überhaupt ein Mangel vorliege. Wenn daher – wie hier – bereits nicht aufklärbar sei, dass der eingetretene Schaden auf eine vertragswidrige Beschaffenheit des Kaufgegenstands zurückzuführen sei, gehe dies zulasten des Käufers.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Aus den Gründen:

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat seine bislang zu § 476 BGB entwickelten Grundsätze zugunsten des Käufers angepasst, um sie mit den Erwägungen in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteils des EuGH vom 4. 6. 2015 (C-497/13 [Faber/Autobedrijf Hazet Ochten BV] – NJW 2015, 2237) in Einklang zu bringen.

Die mit diesem Urteil durch den Gerichtshof erfolgte Auslegung des Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der durch § 476 BGB in nationales Recht umgesetzt wurde, gebietet es, im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB den Anwendungsbereich dieser Beweislastumkehrregelung zugunsten des Verbrauchers in zweifacher Hinsicht zu erweitern.

Dies betrifft zunächst die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Käufers hinsichtlich des – die Voraussetzung für das Einsetzen der Vermutungswirkung des § 476 BGB bildenden – Auftretens eines Sachmangels innerhalb von sechs Monaten nach Gefahrübergang. Anders als dies der bisherigen Senatsrechtsprechung zu § 476 BGB entspricht, muss der Käufer nach Auffassung des Gerichtshofs im Rahmen von Art. 5 Abs. 3 der Verbrauchgüterkaufrichtlinie weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass sie dem Verkäufer zuzurechnen ist. Vielmehr hat er lediglich darzulegen und nachzuweisen, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. In richtlinienkonformer Auslegung des § 476 BGB lässt der Senat nunmehr die dort vorgesehene Vermutungswirkung bereits dann eingreifen, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine „Mangelerscheinung“) gezeigt hat, der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer fortan weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.

Außerdem ist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB die Reichweite der dort geregelten Vermutung um eine sachliche Komponente zu erweitern. Danach kommt dem Verbraucher die Vermutungswirkung des § 476 BGB fortan auch dahin zugute, dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zutage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Damit wird der Käufer – anders als bisher von der Senatsrechtsprechung gefordert – des Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.

Folge dieser geänderten Auslegung des § 476 BGB ist eine im größeren Maß als bisher angenommene Verschiebung der Beweislast vom Käufer auf den Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf. Der Verkäufer hat den Nachweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft. Er hat also darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, weil sie ihren Ursprung in einem Handeln oder Unterlassen nach diesem Zeitpunkt hat und ihm damit nicht zuzurechnen ist. Gelingt ihm diese Beweisführung – also der volle Beweis des Gegenteils der vermuteten Tatsachen – nicht hinreichend, greift zugunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offengeblieben ist, also letztlich ungeklärt geblieben ist, ob überhaupt ein vom Verkäufer zu verantwortender Sachmangel vorlag. Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen sei, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar sei (§ 476 BGB a. E.). Auch kann der Käufer im Einzelfall gehalten sein, Vortrag zu seinem Umgang mit der Sache nach Gefahrübergang zu halten.

Der Senat hat nach alledem das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Insbesondere wird dieses unter Anwendung der sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 476 BGB ergebenden neuen Grundsätze zur Beweislastverteilung zu prüfen haben, ob der Bekl. der Nachweis gelungen ist, dass der akut aufgetretene Schaden am Freilauf des Drehmomentwandlers zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs auch nicht im Ansatz vorlag, sondern auf eine nachträgliche Ursache (Bedienungsfehler) zurückzuführen ist.

BGH, Urteil vom 12. 10. 2016 (VIII ZR 103/15, Frankfurt/M.)

Pressemitteilung des BGH vom 12. 10. 2016 Nr. 180