OLG Hamm: Offene Bodenluke: Zur Verkehrssicherungspflichtverletzung im Bekleidungsgeschäft

Eine während der Geschäftszeiten im Kundenbereich eines Bekleidungsgeschäfts geöffnete Fußbodenluke mit den Maßen 2,11m x 0,8m stellt eine überraschende Gefahrenquelle dar, auf die sich ein Kunde nicht einstellen muss, sodass ihm bei einem Sturz in den Schacht unter der Luke 100% Schadenersatz zustehen kann. Unter Hinweis hierauf hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm am 19.1.2018 das erstinstanzliche Urteil des LG Bielefeld vom 12.4.2017 (4 O 21/15) überwiegend abgeändert. Weiterlesen…

BGH: Keine Streupflicht ohne erkennbare Anhaltspunkte für winterliche Glätte

Haftungsrecht
Verkehrssicherungspflicht
Keine Streupflicht ohne erkennbare Anhaltspunkte für winterliche Glätte (und entsprechende Auslegung einer Gemeindesatzung)
BGB § 823 Abs. 1 und 2
* 1. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen Verstoßes gegen winterliche Räum- und Streupflichten setzt entweder das Vorliegen einer allgemeinen Glätte voraus oder das Vorliegen von erkennbaren Anhaltspunkten für eine ernsthaft drohende Gefahr aufgrund vereinzelter Glättestellen. * Weiterlesen…

LG Coburg: Steinschlag ohne Haftung – Zur Frage des Umfangs der Straßenverkehrssicherungspflicht

Ohne Erfolg machte ein Fahrzeughalter Schadensersatzansprüche wegen einer behaupteten Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht geltend. Die engmaschigen Kontrollen der von Steinschlägen betroffenen und mit einem entsprechenden Warnschild versehenen Strecke durch einen Straßenwärter waren nach der Auffassung des LG ausreichend.

Tatbestand:

Nach der Beschädigung seines Pkw durch einen Steinschlag machte der Kläger Schadensersatzansprüche aus einer behaupteten Amtspflichtverletzung gegen den Freistaat Bayern geltend. Die Ehefrau des Klägers hatte zuvor mit dem Fahrzeug eine durch die Fränkische Schweiz bzw. das Fränkische Jura verlaufende Staatsstraße befahren, die mit dem Warnschild „Steinschlaggefahr“ versehen war.

Durch von links auf die Straße rollendes Gestein sei dann das Fahrzeug des Klägers nicht unerheblich beschädigt worden. Der Kläger meint, der Beklagte habe seine Straßenverkehrssicherungspflicht auf der bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Strecke verletzt. Das Warnschild alleine sei hierfür nicht ausreichend und starke Regenfälle nur zwei Tage vor dem Unfall hätten einen verstärkten Anlass zur Felskontrolle gegeben.

Der Beklagte verwies demgegenüber hauptsächlich auf die einmal wöchentlich bis täglich durchgeführten Kontrollen durch einen Straßenwärter und darüber hinaus auf länger zurückliegende Felskontrollen, die jeweils ohne Auffälligkeiten geblieben waren. Zuletzt nur einen Tag vor dem Unfall habe der Straßenwärter die fragliche Strecke inspiziert.

Aus den Gründen:

Nach der Vernehmung mehrerer Zeugen gelangte das LG zu der Auffassung, dass eine Verletzung der Straßenverkehrssicherungspflicht, die hier als öffentliches Amt auszuüben ist, nicht vorliegt. Danach ist im Rahmen der Vorsorge gegen die Steinschlaggefahr die fragliche Strecke fortlaufend zu beobachten. Weitere Maßnahmen sind nach der Entscheidung jedoch nur dann erforderlich, wenn mit einer Gefährdung durch Steinschlag als naheliegend zu rechnen ist.

Insoweit verweist das LG auf die Rechtsprechung des BGH. Häufigkeit und Umfang der gebotenen Beobachtungen der Straße hängen dabei vom Ausmaß ihrer Schadensgeneigtheit ab. In diesem Zusammenhang hatte, worauf das LG ebenfalls hinweist, das OLG Thüringen bei einem fast senkrecht abfallenden Hang im Abstand von ca. 7 bis 10 m zur Straße Sichtkontrollen jeweils im Frühjahr und im Herbst eines Jahres als ausreichend angesehen.

Unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Verhältnisse an der Unfallstelle und der regelmäßig mindestens dreimal pro Woche und stets an Freitagen durchgeführten Kontrollen der betroffenen Strecke, zuletzt ohne Auffälligkeiten noch am Tag vor dem Unfall, verneinte das LG eine weiter gehende Verpflichtung des Beklagten und wies die Klage kostenpflichtig ab. Anhaltspunkte für eine naheliegende Gefährdung, die Anlass für weitere Maßnahmen hätten sein können und die der Kläger hätte nachweisen müssen, sah es nicht als gegeben an. Hierfür genügte die vage Behauptung des Klägers, auf der betroffenen Strecke käme es immer wieder zu Steinschlägen, ebenso wenig wie die starken Regenfälle zwei Tage vor dem Unfall.

Nach der Regelung in Art.72 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes erfolgt die Überwachung der Verkehrssicherheit der öffentlichen Straßen in Ausübung eines öffentlichen Amts. Für eine Verletzung dieser Amtspflicht haftet nach § 839 BGB zwar zunächst der betroffene Beamte. Diese Haftung wird jedoch gem. Art.34 GG auf den Staat bzw. die Körperschaft, in deren Dienst dieser Beamte steht, übergeleitet, sodass der Freistaat Bayern hier der richtige Beklagte war.

Gerade bei den hier betroffenen Staßenverkehrssicherungspflichten ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Schutz vor allen nur möglichen Naturgewalten nicht erwartet werden kann. Vielmehr sind nach der vom LG zitierten Rechtsprechung des BGH die Eigenverantwortung und das allgemeine Lebensrisiko der Straßennutzer mit den Sicherungspflichten der Straßenveranwortlichen in Ausgleich zu bringen.

LG Coburg, Urteil vom 10.6.2016 (22 O 688/15; rechtskräftig)

Pressemitteilung des LG Coburg 15/16 vom 10.8.2016