Ein Tierarzt verletzt seine vertragliche Aufklärungspflicht, wenn er dem Eigentümer eines Hengstes vor einer beabsichtigten Kastration nicht umfassend über die zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden und deren unterschiedliche Risiken aufklärt. Er handelt zudem behandlungsfehlerhaft, wenn er bei einer im Liegen durchgeführten Kastration keine durch Transfixation abgesicherte beidseitige Ligatur vornimmt. Das hat der 3. Zivilsenat des OLG Hamm am 12. 9. 2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Münster bestätigt.
Tatbestand:
Im Herbst 2013 beauftragte die Kl. den bekl. Tierarzt mit der Kastration ihres Hengstes „A.“. Dieser entstammte der iberischen Rasse und war von der Klägerin wenige Wochen zuvor für 5000 Euro in Spanien erworbenen worden. Bei dem im Oktober 2013 in Vollnarkose am liegenden Pferd durchgeführten Eingriff kam es zu Komplikationen, in deren Folge das Tier in die Tierklinik nach T. (Deutschland) verlegt werden musste. Hier wurde es operativ versorgt. Nach aufgetretener Myopathie und einem Multiorganversagen konnte es nicht in den Stand verbracht werden und musste eingeschläfert werden. Die Kl. hat den Bekl. hierfür verantwortlich gemacht und behauptet, der Bekl. habe sie über die Risiken des Eingriffs unzureichend aufgeklärt und den Eingriff selbst behandlungsfehlerhaft ausgeführt. Sie hat von ihm Schadensersatz verlangt, insbesondere Wertersatz in Höhe des aufgewandten Kaufpreises und die Erstattung der von für die Tierklinik aufgewandten Kosten von ca. 3000 Euro.
Aus den Gründen:
Das Schadensersatzbegehren der Kl. war weitgehend erfolgreich. Der 3. Zivilsenat des OLG Hamm hat der Kl. ca. 8000 Euro als Wertersatz für das Pferd und als Ersatz für die an die Tierklinik gezahlten Behandlungskosten zugesprochen sowie festgestellt, dass sie die Tierarztrechnung des Bekl. in Höhe von ca. 500 Euro nicht bezahlen muss.
Der Bekl. hafte, so der Senat, für eine fehlerhafte Erfüllung des tierärztlichen Behandlungsvertrags. Er habe die ihm der Kl. gegenüber obliegende Aufklärungspflicht verletzt, weil er es versäumt habe, die Kl. über die grundsätzlich zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden – Eingriff im Stehen oder im Liegen – und deren unterschiedliche Risiken, u. a. das bei der Rasse erhöhte Myopathierisiko, aufzuklären. Außerdem habe die schließlich im Liegen durchgeführt Kastration nicht dem medizinischen Standard entsprochen. Die gebotene Ligatur habe der Bekl. nur an einer Seite und nicht beidseitig vorgenommen und sie zudem nicht durch eine Transfixation abgesichert. Damit habe er die Risiken einer Blutung oder Darmeinklemmung beim späteren Aufstehen des Pferdes nicht ausgeschlossen und das Abrutschen der Ligatur, das später in der Tierklinik festgestellt worden sei, nicht verhindert. Die dargestellten Fehler seien als grob fehlerhafte Behandlung zu werten. Sie seien geeignet gewesen, den späteren Tod des Pferdes herbeizuführen. Deswegen greife zugunsten der Kl. eine Beweislastumkehr, sodass der fehlerhaften Behandlung des Bekl. auch der spätere Tod des Pferdes zuzurechnen sei.
OLG Hamm, Urteil vom 12. 9. 2016 (3 U 28/16)
Pressemitteilung des OLG Hamm Nr. 120/16 vom 25. 10. 2016