VersR REPORT: Internationales

Von Eva-Maria Goergen

Wir setzen unsere online – Berichte fort mit einem Report der Rechtsanwältin Eva-Maria Goergen aus der Kanzlei Clyde & Co. Zuletzt hatte Prof. Robert Koch das AGB – Recht des letzten Jahres vorgestellt und demnächst berichtet Prof. Oliver Brand über die Entwicklung des Haftungs- und Schadensersatzrechts. Der heutige Report ‚Internationales‘ wirft einen Blick über den Tellerrand hinaus; wir denken, dass es für unsere Leser und deren Befassung mit dem nationalen Versicherungsvertragsrecht von Gewinn ist, zu erfahren, was ‚die anderen‘ so machen. Häufig sind die Konstellationen und die zu entscheidenden Rechtsfragen gar nicht so anders als bei uns, etwa wenn der Supreme Court of South Africa die Frage zu entscheiden hatte, ob ein VN die Entschädigung aus einer Sturmversicherung insgesamt zurückzahlen muss, wenn er über die Inanspruchnahme eines Hotels getäuscht und eine gefälschte Rechnung vorgelegt hatte (er musste, Case no: 534/2022). Gute Lektüre!

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VersR REPORT: Neue Rechtsprechung zum Versicherungsvertriebsrecht

I. Gruppenspitze als Versicherungsvermittler

Die Praxis kennt zahlreiche Gruppenversicherungsverträge, bei denen der Gruppenorganisator, die sog. Gruppenspitze, selbst Versicherungsnehmer (VN) ist. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass eine GmbH ihren Kunden, wenn sie in eine „Mitgliedergemeinschaft“ eintreten, Leistungen für den Fall von Krankheit oder Unfall im Ausland anbietet und sie selbst VN eines Gruppenversicherungsvertrags mit entsprechenden Versicherungen ist (OLG Koblenz v. 19.12.2018 – 9 U 805/18, WRP 2019, 658). Nach bislang ganz h.M. lag in solchen Fällen keine Vermittlung vor, weil der VN nicht zugleich auch Vermittler sein könne (OLG Koblenz v. 19.12.2018 – 9 U 805/18, WRP 2019, 658; OLG Frankfurt v. 27.6.2019 – 6 U 108/18, NJW-RR 2019, 1381). Am 29.9.2022 entschied aber der EuGH auf Vorlage des BGH, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 8 Versicherungsvertriebs-Richtlinie seien so auszulegen, dass unter den Begriff „Versicherungsvermittler“ auch eine juristische Person falle, deren Tätigkeit darin besteht, eine freiwillige Mitgliedschaft in einer zuvor von ihr bei einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Gruppenversicherung anzubieten, wenn sie hierfür von ihren Kunden eine Vergütung erhält und die Mitgliedschaft die Kunden zur Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen, namentlich im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland, berechtigt (EuGH v. 29.9.2022 – C-633/20, VersR 2022, 1372. Nachfolgend dann BGH v. 15.12.2022, VersR 2023, 446). Dass die juristische Person in diesen Fällen als VN selbst Partei des Gruppenversicherungsvertrags sei, stehe dem nicht entgegen. Ebenso wie ein Versicherer beim Direktvertrieb zugleich auch Versicherungsvertreiber sein könne, so könne auch der VN zugleich Versicherungsvermittler sein (EuGH v. 29.9.2022 – C-633/20, VersR 2022, 1372 Rz. 46 mit Hinweis auf EuGH v. 24.2.2022 – C-143/20 und C-213/20, VersR 2022, 485 Rz. 87 und 88).

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VersR REPORT: Ausgewählte neue Rechtsprechung zur Personenversicherung

Im Folgenden werden Urteile aus dem Jahr 2022, vor allem des BGH, zur Personenversicherung vorgestellt.

I. Lebensversicherung

1. Widerspruchsrecht des VN (§ 5a VVG a.F.)

Eine Vielzahl obergerichtlicher Entscheidungen beschäftigte sich auch im Jahr 2022 mit dem sog. „ewigen“ Widerspruchsrecht des VN nach § 5a VVG a.F. Dabei setzten sich die Gerichte insbesondere mit der neueren Rechtsprechung des EuGH auseinander (zur neueren Rechtsprechung zum ewigen Lösungsrecht des VN bei Verletzung von Belehrungs- und Informationspflichten durch den Versicherer vgl. auch Looschelders, FS Schimikowski, 2023, S. 199 ff.).

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VersR REPORT: Neuere Rechtsprechung zur Haftpflichtversicherung

Heute setzen wir unsere Online-Berichterstattung fort mit einem Rückblick auf die neuen Entwicklungen in der Haftpflichtversicherung, im Anschluss an die Berichte zum allgemeinen Teil des VVG vom 15. Januar (Prof. Dr. Manfred Wandt) und zur Sach- und Schadenversicherung vom 15. Februar (Prof. Dr. Theo Langheid). Im nächsten Bericht am 15. April finden Sie die Personenversicherung von Prof. Dr. Dirk Looschelders.

I. Subsidiarität

Nach OLG Frankfurt (Urt. v. 2.2.2022 – 7 U 132/20, VersR 2022, 753) ist, wenn eine Subsidiaritätsklausel in einem Haftpflichtvertrag, nach der anderweitig bereits bestehende Versicherungsverträge dem fraglichen Vertrag vorgehen sollen, einen Schaden decken soll, zeitlich nicht auf die bereits bei Vertragsschluss bestehenden Primärverträge abzustellen, sondern es soll auf den Primärvertrag ankommen, der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls existiert. Nur die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verträge kämen als vorangehende Primärversicherungen in Betracht. Soweit für die Frage der Subsidiarität auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abgestellt wird und nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der nur subsidiärer geltenden Versicherung, sollte das nur bei qualifizierten Abreden eine Rolle spielen können, denn bei einfachen Subsidiärabreden kommt es auf den tatsächlich bestehenden oder eben nicht bestehenden Deckungsschutz (und nicht auf die Existenz anderer Versicherungsverträge) an. Nur bei qualifizierten Klauseln (die auf das bloße Vorhandensein einer Primärversicherung abstellen) kann maßgeblich der Zeitpunkt sein, in dem die primäre Versicherung abgeschlossen wurde. (Das wird in der hier besprochenen Entscheidung verkannt: das OLG geht davon aus, dass der Verwender der Klausel nur dann haftet, wenn der VN aus dem anderen Vertrag keine Deckung erhält. Tatsächlich ist es andersherum, vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 31. Aufl., § 78 Rz. 31). Nachträgliche Änderungen können an dem durch diesen Vertrag begründeten Deckung nichts ändern. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Eintrittspflicht aus dem Subsidiärvertrag; bei diesem kommt es tatsächlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls an.

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