VersR BLOG: Shitstorm – Und die völlig absurde Angst davor

Jemand muss nur vage die Aussicht darauf in Betracht ziehen und alle gehen in Deckung: Oh, ein Shitstorm! Rette sich, wer kann! Ganz egal, wer da was zu sagen hat, ganz egal, ob der Shit (nomen est omen) auch von der äußeren Form her Shit ist (in der Anonymität des Internetz wagen sich ja meist die ganz nach vorne, die früher auf dem Schulhof die meiste Dresche abgekriegt haben) und es ist auch ganz egal, dass hier ein weises pro und contra in Form eines gescheiten Diskurses (Diskuss? Was für’n Diskuss?) nicht einmal ansatzweise denkbar ist.

So auch bei Herrn Ulrich Leitermann, Chef der Signal Iduna, der es gewagt hatte, angesichts der 100 Millionen, die sein Unternehmen dafür ausgibt, dass der Spielplatz der Borussia in Dortmund bis 2031 Signal Iduna Stadion heißen darf, den Spruch von ein paar Ultras (die ja nicht umsonst so heißen) „Für immer Westfalen Stadion“ zu kritisieren.

Weiterlesen…

VersR BLOG: Vorenthaltung der AVB als Transparenzmangel? Neues vom EuGH zur Gruppenversicherung

Der EuGH ist bekanntlich bisweilen für eine Überraschung gut. Unlängst hat sich erneut mit der Gruppenversicherung beschäftigt. Man hat noch die Qualifikation der „Gruppenspitze“ als Vertreiber von Versicherungsleistungen vor Augen (EuGH v. 29.9.2022 – C-633/20, VersR 2022, 1372; s. auch VersR BLOG vom 22.3.2022 zu einem vorangegangenen Urteil), und schon geht es um das nächste große Thema, nämlich das AGB-Recht. Das Gericht nimmt in seinem Urteil vom 20.4.2023 (C-263/22, BeckRS 2023, 7663) einen bemerkenswerten Erst-recht-Schluss vor: Wenn schon mangelnde Klarheit oder Verständlichkeit einer Klausel bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit zu berücksichtigen sei, so gelte dies erst recht für den Fall, dass der Verbraucher die Klausel gar nicht habe zur Kenntnis nehmen können (Rz. 41). Diese Schlussfolgerung erstaunt, unterscheidet doch die Klauselrichtlinie – und ihr folgend der deutsche Gesetzgeber in den §§ 305 ff. BGB – klar zwischen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle. Fehlt es an der zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme, so werden die AVB nach § 305 Abs. 2 BGB nicht Vertragsbestandteil; sind sie hingegen intransparent, so kann die – stets eine Gesamtwürdigung erfordernde – Transparenzkontrolle gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zur Unwirksamkeit führen. Tertium non datur. Allenfalls mag man darüber streiten, unter welchen Voraussetzungen eine Klausel derart kryptisch formuliert ist, dass sie bereits als nicht wirksam in den Vertrag einbezogen zu behandeln ist. Aber mangelnde Verfügbarmachung als Verstoß gegen das Transparenzgebot? Das klingt gewagt.

Weiterlesen…

VersR BLOG: Hört jetzt auf! Aber wer?

„Hört jetzt auf!“: Klimaaktivisten erhöhen den Druck auf Versicherer. Unter dieser Überschrift berichtete die „Versicherungswirtschaft heute“ am 29.3.2023 über das jährliche Rundschreiben der Pressuregroup Insure our Future an die Vorstände von 30 Versicherern. Die Aktivisten, die neuerdings als „Kampagner*innen“ angesprochen werden wollen (soll sich wohl freundlicher anhören, klingt ein bisschen nach Champagner*innen), fordern, den „Ausstieg aus Investitionen in und Versicherung von fossilen Projekten: zunächst jede Expansion im Kohle-, Öl- und Gasbereich“. Und am Ende wird es archaisch, es droht mal wieder das Ende der Welt: As the UN Secretary-General said recently „2023 is a year of reckoning“. It must be a year of game-changing climate action. No more baby steps. No more excuses. No more greenwashing.

Weiterlesen…

VersR BLOG: Jurastudium kann sich (doch) lohnen – Der „Kevin de Bruyne“ unter den englischen Advokaten

So manch einer macht sich bei der Berufswahl vielleicht Sorgen, dass es mit einer juristischen Kariere zu Ende gehen könnte, bevor sie überhaupt angefangen hat. LegalBots erledigen die Arbeit, Microsofts ChatGPT fertigt die Schriftsätze (und vorher die Examens- und Doktorarbeiten), Googles BARD kann das auch bald, Big Data erfasst die KI ohnehin sehr viel schneller als der Mensch, das gilt für die wissenschaftliche Recherche genauso wie für die Sachverhaltserfassung. Die Problematik von Massenklagen (die Registrierung der Massen, die Verteilung des Schadensersatzes, die ja viele tausend Anwaltsstunden verbrauchen kann, wenn man das nicht digital löst), die Erfassung und Auswertung von Großschäden, das Underwriting inklusive Preisfindung, alles das wird der Computer besser können als sein menschlicher Kollege. Der D&O-Anbieter VOV hat jetzt (s. Versicherungswirtschaft HEUTE vom 8.2.2023) einen vielleicht faustischen Pakt mit dem sog. Legal Tech Eagle Lsp (hinter dem sich nichts anderes verbirgt als ausgerechnet eine Anwalts-GmbH) geschlossen; man will mithilfe von sog. Data Analytics zu „datenbasierten Entscheidungsfindungen“ kommen, die Bearbeitung von über 3.000 Schäden im Rahmen technologiegestützter Business Intelligence optimieren, mit eDiscovery die Tatbestände effizient analysieren etc.

Weiterlesen…

VersR BLOG: Neuregelung des schweizerischen Versicherungsvertriebsrechts

Rechtsquellen im Umbruch

Der öffentlich-rechtliche Rahmen für das Versicherungsvertriebsrecht in der Schweiz ist Gegenstand einer tiefgreifenden Umgestaltung. Dies gilt für die beiden Hauptrechtsquellen, das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und die dazu gehörige Aufsichtsverordnung (AVO) ebenso wie für ganz neu geplante Rechtsakte wie das Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlertätigkeit (BGRV; für Details dazu s. unter https://vvg.digital/s/ij3).

Die Reform der beiden Hauptrechtsquellen stellt im Ergebnis eine Bringschuld des schweizerischen Gesetzgebers dar. Dies deshalb, weil die schon viel früher im Zuge der Verabschiedung des sog. FIDLEG (Finanzdienstleistungsgesetz) geplant gewesene Änderung des VAG letztlich unterblieb, nachdem es aufgrund branchenseitiger Interventionen zu einer relativ spektakulären Ausnahme des gesamten aufsichtspflichtigen Versicherungssektor vom FIDLEG-Anwendungsbereich gekommen war (vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. d FIDLEG). Was zunächst von manchen als geglückte Abwehr unerwünschter Mehr- und Neuregulierung des öffentlichen Versicherungsrechts gefeiert wurde, könnte sich im Rückblick als vorschnelle Analyse erweisen. Denn aus heutiger Sicht hat sich durch den „Anti-FIDLEG-Coup“ die Regulierung lediglich verzögert und der verspätete Zugriff könnte sogar in Einzelpunkten (namentlich über die AVO) zu einer strengeren Regelungsausgestaltung führen.

Weiterlesen…