Der 2. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat mit Berufungsurteil vom 8.6.2017 einen Arzneimittelhersteller zur Unterlassung einer Werbeaussage über ein Schmerzmittel, in dem Vitamin C enthalten ist, verurteilt. Das erstinstanzliche Urteil des LG Ulm hat der Senat damit zugunsten des Kl. abgeändert.
Tatbestand:
Der Kl. ist ein Verband, zu dessen Aufgaben u. a. die Durchsetzung der Regeln des lauteren Wettbewerbs für seine Mitglieder gehört. Die Bekl. ist ein Arzneimittelhersteller. Das von ihr beworbene rezeptfreie Arzneimittel besteht aus 600 mg Acetylsalicylsäure und 200 mg Ascorbinsäure (Vitamin C) je Brausetablette. Es ist für die Anwendungsgebiete „leichte bis mäßig starke Schmerzen“ u. a. „im Rahmen von Erkältungskrankheiten“ und „Fieber“ zugelassen. Der Kläger stört sich an der Werbeaussage „Eine Extraportion Vitamin C unterstützt das Immunsystem“ und nimmt die Bekl. auf deren Unterlassung in Anspruch. Das LG Ulm wies die Klage in erster Instanz ab. Hiergegen richtete sich die Berufung des Kl.
Aus den Gründen:
Der Senat hat einen Verstoß gegen § 3 a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) i. V. m. § 3 a Heilmittelwerbegesetz (HWG) bejaht. Mit der Werbebotschaft, dass das enthaltene Vitamin C das Immunsystem unterstütze, weise die Bekl. auf ein Anwendungsgebiet hin, für das das Medikament nicht zugelassen ist. Die angesprochenen Verbraucher verstünden die Aussage als (unzulässige) Benennung eines weiteren Anwendungsgebiets und nicht lediglich als (zulässigen) Hinweis auf weitere Wirkungen des Medikaments.
Zwar sei dem LG zuzustimmen, dass ein – schmerzfreier – Verbraucher üblicherweise nicht der Idee verfallen würde, das Medikament der Bekl. zu wählen, wenn er sein (allgemein schwaches) Immunsystem stärken wolle. Jedoch werde ein Verbraucher, der Schmerzen verspürt und zugleich – in anderem Zusammenhang – die ärztliche Empfehlung zur Stärkung seines Immunsystems erhalten hat, möglicherweise zu dem Arzneimittel der Bekl. greifen.
Im Übrigen dürfe auf zusätzliche Wirkungen dürfe nur hingewiesen werden, wenn sie sich innerhalb des zugelassenen Anwendungsgebiets entfalten. Daran fehle es vorliegend. Nach dem Vortrag der Parteien habe der Senat davon auszugehen, dass ein solcher Wirkungszusammenhang bei Erkältungskrankheiten nur bei Verbrauchern bestehe, die körperlichen Belastungen ausgesetzt sind. Der Kl. habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Beigabe von Vitamin C den Zweck habe, Nebenwirkungen der Acetylsalicylsäure auf die Magenschleimhaut zu vermeiden. Der Bekl. gehe es nach ihrem eigenen Vortrag nicht um die Auslobung einer präventiven oder therapeutischen Wirkung von Vitamin C bei Erkältungen, sondern um die allgemeine Aussage, dass Vitamin C das Immunsystem stützt.
OLG Stuttgart, Urteil vom 8. 6. 2017 (2 U 127/16)