OLG Hamm: Wer „erbtʺ die Lebensversicherung? – klare Formulierungen helfen!

Zum Hintergrund: Der VN einer Lebensversicherung legt durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest, wem die Versicherungsleistung nach seinem Tod zustehen soll. Er bestimmt so über das Bezugsrecht der Lebensversicherung. Wählt er hierbei unklare, interpretationsbedürftige Formulierungen, sind die – regelmäßig erst nach seinem Tod angerufenen – Gerichte gezwungen, seine die Erklärung auszulegen. Das kann zu für die Beteiligten nicht immer vorhersehbaren Ergebnissen führen – klare Formulierungen helfen!

Ein Beispiel gibt der nachstehende, vom 20. Zivilsenat des OLG Hamm zu beurteilende Fall.

Zum Fall:

Der VN einer Lebensversicherung legte fest, dass die Versicherungsleistung nach seinem Tod den ʺEltern, bei Heirat Ehegatteʺ zustehen sollte. Nachdem der VN verstorben war, stritten seine Eltern und seine Tochter über die Bedeutung dieser Formulierung, woraus ein Rechtsstreit zwischen der Tochter und dem Versicherer entstand.

Nach dem Beschluss des 20. Zivilsenat des OLG Hamm vom 13. 5. 2016, der die erstinstanzliche Entscheidung des LG Münster bestätigt, können die überlebenden Eltern in dem zu entscheidenden Fall die Versicherungsleistung nach Tod des VN beanspruchen, weil die Ehe des VN zuvor geschieden wurde.

Im Einzelnen:

Die im Jahr 1999 geborene Antragstellerin aus Chemnitz ist die Tochter des im Jahr 2013 im Alter von 42 Jahren verstorbenen VN. Sie hat ihren Vater nach dem Tod beerbt. Dieser war von 1996 bis zu seiner Scheidung im Jahr 2000 verheiratet. Aus dieser Ehe stammt die Antragstellerin nicht. 1988 schloss der Erblasser mit der Antragsgegnerin, einem Versicherer aus Münster, einen Lebensversicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von ca. 26.000 DM ab, in dem er festlegte, dass das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung nach seinem Tod den ʺEltern, bei Heirat Ehegatteʺ zustehen solle. Nach dem Tod zahlte die Antragsgegnerin die Versicherungsleistung an die Eltern des Erblassers aus. Die durch ihre Mutter vertretene Antragstellerin ist der Ansicht, dass das Bezugsrecht der Eltern mit der Heirat des Erblassers entfallen sei, sodass die Versicherungsleistung nunmehr ihr als Alleinerbin zustehe. Deswegen schulde ihr die Antragsgegnerin Auskunft über die Versicherungsleistung und (erneute) Zahlung dieses Betrags. Für eine Prozessführung gegen die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt.

Das Prozesskostenhilfegesuch ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das LG hat auch der 20. Zivilsenat des OLG Hamm die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage verneint und Prozesskostenhilfe deswegen versagt.

Das Bezugsrecht für die Versicherungsleistung aus der Lebensversicherung lege der VN so der Senat, durch eine gegenüber dem Versicherer abzugebende Erklärung fest.

Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Erklärung des Erblassers, dass seine Ehefrau die Versicherungsleistung nach der Scheidung nicht mehr habe erhalten sollen. In der vom Erblasser gewählten Formulierung ʺbei Heirat Ehegatteʺ komme zum Ausdruck, dass die Bezugsberechtigung des potentiellen Ehegatten nur für die Dauer der Ehe bestehen sollte.

Nach der Scheidung stehe das Bezugsrecht aber nicht der Antragstellerin als Alleinerbin des Erblassers zu. Der Erblasser habe seine Eltern zunächst für den Fall keiner Heirat als Empfänger der Versicherungsleistung benannt. Auch wenn diese Bestimmung während der Dauer einer Ehe zugunsten der Ehefrau entfallen sei, folge daraus nicht, dass die Eltern bei der Beendigung der Ehe nicht erneut berechtigt sein sollten. Die Bestimmung der Eltern als Bezugsberechtigte mit der Einschränkung ʺbei Heirat Ehegatteʺ lasse vielmehr erkennen, dass die Eltern als ursprünglich Bezugsberechtigte erneut bestimmt werden sollten, wenn es beim Tod des Erblassers keinen vorrangig zu berücksichtigenden Ehegatten gebe. Deswegen könne die Antragstellerin die Antragsgegnerin nicht auf Auskunft und nicht (erneut) auf Zahlung der Versicherungsleistung in Anspruch nehmen.

OLG Hamm, Beschluss vom 13. 5. 2016 (20 W 20/16)

Hinweis der Pressestelle:

Vgl. zu der Problematik auch das Urteil des BGH vom 22. 7. 2015 (IV ZR 437/14 – VersR 2015, 1148). Nach dieser Entscheidung war die Erklärung eines VN gegenüber seinem Versicherer, im Fall seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Versicherungsleistung sein, so zu verstehen, dass – auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des VN – der mit dem VN zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete und bei seinem Tod geschiedene Ehegatte weiterhin bezugsberechtigt sein sollte.

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 14. 12. 2016