BGH bejaht Mangelhaftigkeit eines Gebrauchtwagens bei internationaler Fahndungsausschreibung

Der BGH hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Ausschreibung eines Gebrauchtwagens im Schengener Informationssystem (SIS) einen den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Rechtsmangel (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1 BGB) darstellen kann.

Beim Schengener Informationssystem handelt es sich um eine umfangreiche Datenbank, die u. a. Informationen über gestohlene oder vermisste Fahrzeuge enthält. Der Hauptzweck der Datenbank ist – vor dem Hintergrund grundsätzlich weggefallener Grenzkontrollen an den Binnengrenzen – die Sicherstellung eines hohen Maßes an Sicherheit innerhalb der Schengen-Staaten, indem den zuständigen nationalen Behörden, wie Polizei und Grenzschutz, gestattet wird, Ausschreibungen zu Personen und Gegenständen einzugeben und abzufragen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Der Kl. kaufte vom Bekl. im Jahr 2012 einen gebrauchten Oldtimer Rolls Royce Corniche Cabrio zum Preis von 29.000 Euro. Beim Versuch des Kl., das Fahrzeug im Juli 2013 anzumelden, wurde es jedoch polizeilich sichergestellt, weil es im SIS von den französischen Behörden als gestohlen gemeldet und zur Fahndung ausgeschrieben worden war. Nachdem im Zuge der Ermittlungen – die auch gegen den Kl. und den Bekl. wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden – die Vermutung aufkam, der ehemalige französische Eigentümer könnte den Diebstahl des Fahrzeugs zum Zweck des Versicherungsbetrugs nur vorgetäuscht haben, wurde das Fahrzeug Ende 2013 von der Polizei freigegeben und vom Kl. zugelassen. Bereits kurz darauf wurden die Ermittlungen allerdings auch gegen die Parteien wiederaufgenommen.

Aufgrund der unverändert fortdauernden SIS-Ausschreibung erklärte der Kl. im Mai 2014 schließlich den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte Rückzahlung des Kaufpreises. Seine entsprechende Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Entscheidung des BGH:

Der u. a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass bei einem Gebrauchtwagen ein Fahndungseintrag im SIS einen zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigenden Rechtsmangel darstellen kann.

Um seine Leistungspflicht zu erfüllen, hat ein Verkäufer dem Käufer nicht nur Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Er muss weiterhin dafür sorgen, dass sie frei von Rechtsmängeln ist, der Käufer sie also unangefochten und frei von Rechten Dritter wie ein Eigentümer nutzen kann (§§ 433 Abs. 1 S. 2, 435 S. 1,  903 S. 1 BGB). Insofern ist nicht erst die behördliche Sicherstellung oder Beschlagnahme eines Kraftfahrzeugs, sondern bereits dessen Eintragung in die Fahndungsliste aufgrund einer SIS-Ausschreibung als Rechtsmangel anzusehen. Denn eine solche Eintragung ist für den Käufer mit der konkreten, im gesamten Schengen-Raum bestehenden Gefahr verbunden, dass bei der Zulassung des Fahrzeugs oder einer Halteränderung oder einer polizeilichen Kontrolle die Eintragung festgestellt und ihm das Fahrzeug daraufhin auf unbestimmte Zeit entzogen wird.

Im vorliegenden Fall war dies im Jahr 2013 bereits für die Dauer von einigen Monaten geschehen. Nachdem die SIS-Eintragung weiterhin nicht beseitigt ist, muss der Kl. auch zukünftig im gesamten Schengen-Raum jederzeit mit einer erneuten Beschlagnahme rechnen. Gerade bei einem Entzug im Ausland wäre dies für ihn nicht nur mit einem erneuten zeitweisen Entzug der Nutzungsmöglichkeit, sondern insbesondere auch mit erheblichen Anstrengungen zur Wiedererlangung des Fahrzeugbesitzes verbunden. Weiterhin ist auch die (Weiter-)Verkäuflichkeit eines Pkw durch die Fahndungseintragung stark beeinträchtigt; denn der Kl. wäre redlicherweise gehalten, einen potenziellen Käufer über die SIS-Eintragung aufzuklären.

BGH, Urteil vom 18. 1. 2017 (VIII ZR 234/15)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 6/2017 vom 18. 1. 2017)