BGH: Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen

Der VI. Zivilsenat des BGH hat am 10. 4. 2018 über die Zulässigkeit der Verbreitung ungenehmigter Filmaufnahmen aus Bio-Hühnerställen entschieden.

Zum Sachverhalt:

Die Kl. ist ein auf die Vermarktung von Bio-Produkten spezialisierter Erzeugerzusammenschluss von elf ökologisch arbeitenden Betrieben, die Ackerbau und Hühnerhaltung betreiben. In den Nächten vom 11./12. 5. und 12./13. 5. 2012 drang F., der sich für den Tierschutz engagiert, in die Hühnerställe von zwei der in der Kl. zusammengeschlossenen Betriebe ein und fertigte dort Filmaufnahmen. Die Aufnahmen zeigen u. a. Hühner mit unvollständigem Federkleid und tote Hühner. F. überließ die Aufnahmen der Bekl., die sie am 3. 9. 2012 in der Reihe ARD Exklusiv unter dem Titel „Wie billig kann Bio sein?“ bzw. am 18. 9. 2012 im Rahmen der Sendung „FAKT“ unter dem Titel „Biologische Tierhaltung und ihre Schattenseiten“ ausstrahlte. Die Beiträge befassen sich u. a. mit den Auswirkungen, die die Aufnahme von Bio-Erzeugnissen in das Sortiment der Supermärkte und Discounter zur Folge hat, und werfen die Frage auf, wie preisgünstig Bio-Erzeugnisse sein können.

Das LG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im Einzelnen näher bezeichnete Bildaufnahmen zu verbreiten, die verpackte Waren, tote Hühner oder solche, die ein unvollständiges Federkleid haben, eine umzäunte Auslauffläche und die Innenaufnahme eines Hühnerstalls zeigen.

Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Die Entscheidung des Senats:

Der BGH hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Die Verbreitung der Filmaufnahmen verletzt weder das Unternehmerpersönlichkeitsrecht der Kl. noch ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Zwar sind die Filmaufnahmen – die eine Massentierhaltung dokumentieren und tote oder nur mit unvollständigem Federkleid versehene Hühner zeigen – geeignet, das Ansehen und den wirtschaftlichen Ruf der Kl. in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen. Der Senat ist auch davon ausgegangen, dass die Ausstrahlung der nicht genehmigten Filmaufnahmen das Interesse der Kl. berührt, ihre innerbetriebliche Sphäre vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Diese Beeinträchtigungen sind aber nicht rechtswidrig. Das von der Bekl. verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit überwiegen das Interesse der Kl. am Schutz ihres sozialen Geltungsanspruchs und ihre unternehmensbezogenen Interessen. Dies gilt trotz des Umstands, dass die veröffentlichten Filmaufnahmen von F. rechtswidrig hergestellt worden waren. Die Bekl. hatte sich an dem von F. begangenen Hausfriedensbruch nicht beteiligt. Mit den beanstandeten Aufnahmen wurden keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Kl. offenbart. Die Aufnahmen dokumentieren vielmehr die Art der Hühnerhaltung durch dem Erzeugerzusammenschluss angehörige Betriebe; an einer näheren Information über diese Umstände hat die Öffentlichkeit grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Die Filmaufnahmen informieren den Zuschauer zutreffend. Sie transportieren keine unwahren Tatsachenbehauptungen, sondern geben die tatsächlichen Verhältnisse in den beiden Ställen zutreffend wieder. Mit der Ausstrahlung der Filmaufnahmen hat die Bekl. einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage geleistet. Die Filmberichterstattung setzt sich unter den Gesichtspunkten der Verbraucherinformation und der Tierhaltung kritisch mit der Massenproduktion von Bio-Erzeugnissen auseinander und zeigt die Diskrepanz zwischen den nach Vorstellung vieler Verbraucher gegebenen, von Erzeugern oder Erzeugerzusammenschlüssen wie der Kl. herausgestellten hohen ethischen Produktionsstandards einerseits und den tatsächlichen Produktionsumständen andererseits auf. Es entspricht der Aufgabe der Presse als „Wachhund der Öffentlichkeit“, sich mit diesen Gesichtspunkten zu befassen und die Öffentlichkeit zu informieren. Die Funktion der Presse ist nicht auf die Aufdeckung von Straftaten oder Rechtsbrüchen beschränkt.

BGH, Urteil vom 10. 4. 2018 (VI ZR 396/16)

(Pressemitteilung des BGH Nr. 72 vom 10. 4. 2018)