Dr. Markus Sauer, Krankentagegeld und Nettoeinkommen – ein neues Kapitel

Krankentagegeld und Nettoeinkommen – ein neues Kapitel
– Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 6. 7. 2016 (IV ZR 44/15) VersR 2016, 1177 –

In der Krankentagegeldversicherung kann der Versicherer den Tagessatz nicht durch einseitige Erklärungen herabsetzen, die sich allein auf § 4 Abs. 4 MBKT 09 stützen. Die Regelung ist wegen mangelnder Transparenz nach § 307 Abs. 1 S. 2 i. V. m. S. 1 BGB unwirksam. Dr. Markus Sauer untersucht in seinem Beitrag das oben genannte Urteil und gibt Hinweise und Anregungen zu einer möglichen Neuregelung.
Die Krankentagegeldversicherung verfolgt nach ihrem in § 192 Abs. 5 VVG geregelten gesetzlichen Leitbild den Zweck, einen durch Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfall zu ersetzen. Dies soll dadurch geschehen, dass der Versicherer das vereinbarte Krankentagegeld zahlt. Verdienstausfall und vereinbartes Krankentagegeld können auseinanderfallen; der als Krankentagegeld vereinbarte Tagessatz kann gemessen am Zweck – Ersatz des Verdienstausfalls – zu hoch oder zu niedrig bemessen sein.
Um die beiden Werte – Tagessatz und Verdienstausfall – einander (wieder) anzunähern, bestehen zwei prinzipiell verschiedene Möglichkeiten: zum einen die Ausgestaltung der Krankentagegeldversicherung als Schadensversicherung, bei der die Leistung sowohl auf den konkret entstandenen Verdienstausfall als auch auf den vereinbarten Tagessatz begrenzt wird, zum anderen die nachträgliche, auch einseitige Vertragsänderung. Beide Wege sind angesichts des gesetzlichen Leitbildes möglich; die Krankentagegeldversicherung kann als Schadens- oder Summenversicherung ausgeformt werden.

Mit den Regelungen in § 4 Abs. 2 und 4 MBKT 09 haben sich die privaten Krankenversicherer für die zweite Variante entschieden. Nach § 4 Abs. 4 MBKT 09 konnte der Versicherer bisher bei einem nachträglichen Absinken des Einkommens das Krankentagegeld durch einseitige Erklärung entsprechend herabsetzen. Diesen Weg hat der IV. Zivilsenat des BGH nun verbaut. Im Hinblick auf eine – erforderliche – Neuregelung und die Kriterien, denen diese standhalten muss, lohnt eine eingehende Betrachtung dahin gehend, unter welchen Aspekten er das bisherige Regelungswerk akzeptiert und inwiefern er es als intransparent angesehen hat.

(abgedr. in VersR 2016, 1160)