BGH: Grenzen der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung bei einer juristischen Person im Rahmen des § 826 BGB

Haftungsrecht
Prospekthaftung
Grenzen der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung bei einer juristischen Person im Rahmen des § 826 BGB
BGB §§ 826, 31
* 1. Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB i. V. m. § 31 BGB setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i. S. d. § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht hat. *
* 2. Das Unterlassen einer für die Anlageentscheidung erheblichen Information in einem Prospekt ist für sich genommen nicht sittenwidrig i. S. d. § 826 BGB. Gegen die guten Sitten verstößt ein Prospektverantwortlicher aber beispielsweise dann, wenn er Anlageinteressenten durch eine bewusste Täuschung zur Beteiligung bewegt, etwa dadurch, dass er einen ihm bekannten Umstand bewusst verschweigt, um unter Ausnutzung der Unkenntnis der Anlageinteressenten möglichst viele Beitritte zu erreichen. *
* 3. Fehlt es an der Feststellung, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter der für den Prospekt verantwortlichen juristischen Person von dem Prospektmangel Kenntnis gehabt hat, so lässt sich der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich eine die Sittenwidrigkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass bei Mitarbeitern einer juristischen Person vorhandene kognitive Elemente mosaikartig zusammengesetzt werden. *
* 4. Das Wollenselement des Schädigungsvorsatzes gem. § 826 BGB setzt grundsätzlich korrespondierende Kenntnisse derselben natürlichen Person voraus. Auch dies steht der Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und -zusammenrechnung im Rahmen des § 826 BGB regelmäßig entgegen. *
BGH, Urteil vom 28. 6. 2016 (VI ZR 536/15, KG)

(abgedr. in VersR 2016, 1519)