OLG Stuttgart: Klage auf Schadensersatz wegen eines Diesel-Fahrzeugs gegen die Daimler AG erfolglos

Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart hat mit einem heute verkündeten Urteil die Berufung eines Klägers zurückgewiesen, der mit seiner Klage von der Daimler AG Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangt.

Tatbestand:

Der Kläger hatte im Jahr 2017 einen gebrauchten Pkw des Typs Mercedes-Benz GLK 220 CDI Blue Efficiency, Baujahr 2014, der mit einem Dieselmotor ausgestattet ist, von einem Dritten erworben. Er möchte nun von der Daimler AG als Herstellerin dieses Fahrzeugs insbesondere wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) Schadensersatz, weil der Dieselmotor bauartbedingt zu viel Stickoxid ausstoße.

Das LG Tübingen hat die Klage mit Urteil vom 28.3.2019 abgewiesen, weil der Vortrag des Klägers „ins Blaue hinein“ erfolgt sei und eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Daimler AG nicht begründe.

Die dagegen eingelegte Berufung des Klägers hatte mit dem Urteil des OLG Stuttgart keinen Erfolg.

Aus den Gründen:

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass auch in den sogenannten Diesel-Fällen der Anspruchsteller die Voraussetzungen seines Anspruchs grundsätzlich darlegen und beweisen muss. Eine erhöhte Darlegungslast des Automobilherstellers zur Funktionsweise seiner Motoren und zur Kenntnis seiner Repräsentanten von eventuellen unzulässigen Abschalteinrichtungen kommt nur in begründeten Ausnahmefällen in Betracht.

Zwar hat der Kläger mit einem Bericht des Handelsblattes vom 14.4.2019 den Verdacht plausibel gemacht, dass bei dem Modell Mercedes-Benz GLK 220 CDI mit der Abgasnorm EU 5 für das Baujahr 2014 eine spezielle Regelung für den Betrieb auf dem Prüfstand eingebaut wurde. Ob eine solche Abschalteinrichtung tatsächlich vorliegt, musste der Senat jedoch nicht durch Sachverständigenbeweis weiter aufklären, weil der Kläger nicht hinreichend vorgetragen hat, dass die Repräsentanten der Daimler AG von dieser Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hatten. Anders als bei der VW AG, bei der eine solche Manipulation bei Millionen von Motoren vorgenommen worden war und dies damit Geschäftsmodell geworden ist, beziehen sich die Ermittlungen des Kraftfahrtbundesamts insoweit bei der Daimler AG nur auf verhältnismäßig wenige Fahrzeuge. Der Senat kann deshalb beim Mercedes-Benz GLK 220 CDI nicht davon ausgehen, dass der Vorstand der Daimler AG Kenntnis von einer solchen Abschalteinrichtung hatte und sich deshalb die Daimler AG durch einen detaillierten Vortrag entlasten müsste.

Im Prozess war unstreitig, dass die Abgasreinigung temperaturabhängig gesteuert wird und nur innerhalb eines nicht näher beschriebenen thermischen Fensters vollständig funktioniert. Zum Schutz des Motors und anderer Bauteile wird die Abgasrückführung unter bestimmten Bedingungen teilweise oder ganz heruntergefahren. Nach Auffassung des Senats lässt das EU-Recht in Art.5 Abs.2 VO 2007/715/EG zumindest vertretbar das Verständnis zu, dass im vorliegenden Fall ein solches Thermofenster erlaubt ist. Wenn ein solches Verständnis aber vertretbar ist, liegt kein sittenwidriges und vorsätzliches Verhalten der Daimler AG vor. Nachdem die Daimler AG für das Fahrzeug eine gültige Übereinstimmungsbescheinigung nach EG-Recht ausgestellt hat, tritt auch insoweit eine Haftung der Daimler AG nicht ein.

Der Senat hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen, so dass der Kläger die Möglichkeit hat, dieses Urteil des OLG Stuttgart durch den BGH überprüfen zu lassen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.7.2019 (10 U 134/19)

Vorschriften, auf denen die Entscheidung beruht:

§ 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB):

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Art. 5 Abs. 2 VO 2007/715/EG:

Die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist unzulässig. Dies ist nicht der Fall, wenn:

a) die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den si-cheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten;

b) die Einrichtung nicht länger arbeitet, als zum Anlassen des Motors erforderlich ist;

c) die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind.

Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 30.7.2019