OLG Hamm: Schon nach sechs Wochen und 3300 km kein Neuwagen mehr

Ein ca. sechs Wochen zum Straßenverkehr zugelassenes Fahrzeug mit einer Laufleistung von ca. 3300 km kann nicht mehr als Neuwagen angesehen werden. Unter Hinweis hierauf hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm ein Urteil des LG Bielefeld bestätigt.

Die klagende Gesellschaft verlangt vom bekl. Versicherer weiteren Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 5.8.2016 auf der BAB 2 in der Nähe von Herford. An dem Unfall waren der Pkw der Marke Porsche Macan der Kl. und ein Fiat eines VN der Bekl. beteiligt. Zwischen den Parteien ist außer Streit, dass die Bekl. zu 100 % für den Unfallschaden aufzukommen hat. Der von der Kl. für 92.400 Euro erworbene Porsche war am 22.6.2016 erstmals zugelassen worden und hatte zum Unfallzeitpunkt eine Laufleistung von 3291 km.

Auf der Grundlage eines Schadensgutachtens regulierte die Bekl. den Fahrzeugschaden ausgehend von einem – bezogen auf den Zeitpunkt des Unfalls – Netto-Wiederbeschaffungswert in Höhe von ca. 80.250 Euro und einem Netto-Restwert in Höhe von ca. 55.090 Euro mit einem Betrag von ca. 25.160 Euro. Die Kl. veräußerte das Unfallfahrzeug zu dem im Gutachten ermittelten Netto-Restwert und erwarb einen neuen PKW gleichen Typs zu einem Kaufpreis von ca. 92.800 Euro.

Mit ihrer Klage hatte die Kl. von der Bekl. die Differenz zwischen dem von der Bekl. zugrunde gelegten Wiederbeschaffungswert und dem von ihr für den Unfallwagen ausgegebenen Kaufpreis in Höhe von ca. 12.150 Euro als weiteren Schaden ersetzt verlangt. Dabei hat sie gemeint, dass sie ihren Schadensersatzanspruch auf Neuwagenbasis abrechnen könne, weil der Porsche beim Unfall – abzüglich einer Überführungsfahrt – noch keine 3000 km Strecke zurückgelegt habe und als hochwertiges Fahrzeug aufgrund der heutigen technischen Entwicklung länger als früher als Neufahrzeug anzusehen sei. Der Porsche sei beim Unfall in tragenden Teilen erheblich beschädigt worden und gelte auch nach einer fachgerechten Reparatur nicht mehr als neuwertig.

Ebenso wie das LG hat auch der 9. Zivilsenat des OLG Hamm das weitere Schadensersatzbegehren der Kl. für unbegründet erachtet. In Anwendung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach welcher ein Anspruch auf Neuwagenentschädigung in der Regel nur bei einer Fahrleistung von max. 1000 km und einer nicht länger als einen Monat zurückliegenden Erstzulassung in Betracht komme, habe das LG der Kl. zu Recht eine Schadensregulierung auf Neuwagenbasis versagt, so der Senat.

Der vorliegende Fall sei hiervon nicht auszunehmen. Auch unter Berücksichtigung der weiteren technischen Entwicklung und nach heutiger wirtschaftlicher Verkehrsanschauung sei ein Fahrzeug, das zum Unfallzeitpunkt bereits knapp 3300 km gefahren und bereits über sechs Wochen zugelassen gewesen sei, nicht mehr als ein Neuwagen anzusehen, bei dem – im Fall einer erheblichen Beschädigung – ausnahmsweise auch ein „Schmelz der Neuwertigkeit“ eine Abrechnung auf Neuwagenbasis rechtfertige. Das bestätigten die Verhältnisse auf dem Markt von sehr jungen Gebrauchtwagen bzw. Fahrzeugen mit Tageszulassung im hochpreisigen Fahrzeugsegment.

Zu Recht habe die Kl. im Wege des Schadensersatzes (nur) die Mittel zur Beschaffung eines mit dem beschädigten Fahrzeug vergleichbaren unfallfreien Fahrzeugs erhalten. Ein Anspruch auf Ersatz weiterer Kosten für die Anschaffung eines höherwertigen Neufahrzeuges stünden ihr nicht zu.

OLG Hamm, Beschlüsse vom 10.4.2018 und 29.5.2018 (9 U 5/18)

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 21.6.2018)