Fahrerassistenzsysteme gewinnen eine immer größere Bedeutung im Straßenverkehr. Sie dienen mehreren Zwecken, insbesondere der Steigerung des Fahrkomforts und des Sicherheitsgefühls des Fahrers, aber auch der Erhöhung der Verkehrssicherheit ganz allgemein. Außerdem bilden sie wichtige Entwicklungsstufen auf dem Weg zum vollautomatisierten und schließlich fahrerlosen Fahren (das in diesem den Assistenzsystemen gewidmeten Buch als „Sonderfall“ auf den Seiten 190 bis 209 auch mit angesprochen wird). Eigenständige gesetzliche Regelungen zum Fahren mit Assistenzsystemen im Straßenverkehr gibt es bisher nicht – anders als zum hoch- und vollautomatisierten Fahren nach Erlass der 8. StVG-Novelle. Für das Fahren mit Assistenzsystemen gilt das allgemeine Straßenverkehrsrecht und daher stellen sich hierfür nicht nur technische, sondern auch zahlreiche Rechtsfragen, die im Streitfall von den Gerichten je nach Fallgestaltung zu klären sind, die aber auch eine systematische wissenschaftliche Durchdringung verdienen. Dieser Aufgabe unterzieht sich der Autor in seiner Trierer Dissertation mit großer Gründlichkeit und Sorgfalt auf immerhin 490 Seiten (zu denen noch eine umfangreiche Gliederung sowie ein umfangreiches Literatur- und Rechtsprechungsverzeichnis kommen) und – das kann schon an dieser Stelle gesagt werden – er tut dies mit großem Erfolg.
Der Kreis der Assistenzsysteme, die dem Kraftfahrer die Bewältigung der Fahraufgabe erleichtern oder teilweise sogar abnehmen, ist kaum noch zu überschauen. Hammel gibt daher im zweiten Kapitel seines Werks zunächst einen Überblick über die verfügbaren Systeme und teilt sie in bestimmte Kategorien ein: informierende, assistierende und teilautomatisierte Systeme (S. 5 ff.). In diesem Rahmen werden auch einzelne Assistenzsysteme mit ihrem Wirkpotenzial näher vorgestellt.
Einen ersten großen Schwerpunkt der Untersuchung bilden die Haftung des Fahrzeughalters und des Fahrers im Straßenverkehr für Pkw mit Fahrerassistenzsystemen sowie die zugehörige Eintrittspflicht des Pflichthaftpflichtversicherers (Kap. 3 S. 29 ff.). Da viele Fragen in Bezug auf die Haftung bei Pkw mit Assistenzsystemen offen sind, weil die Pflichten von Halter und Fahrer bezüglich Kontrolle, Bedienung und Wartung von Assistenzsystemen klärungsbedürftig sind, behandelt Hammel im umfangreichen Kap. 4 die Anforderungen an Halter und Fahrer bei Nutzung von Pkw mit Assistenzsystemen sowie die rechtlichen Auswirkungen dieser Anforderungen (S. 87 ff.).
Im Anschluss an die Darstellung der Haftung widmet sich Hammel den Versicherungsfragen: Kap. 5 behandelt den Umfang des Versicherungsschutzes bei Pkw mit Assistenzsystemen, unterteilt in die Themen Haftpflichtversicherung, Kaskoversicherung und Zurechnung des Verhaltens Dritter (S. 225 ff.). In einem eigenen Kap. 6 geht Hammel auf die Einschränkungen und Ausschlüsse des Versicherungsschutzes bei Pkw mit Assistenzsystemen ein, um die von anderer Seite aufgeworfene Frage zu untersuchen, ob die Einführung von Fahrerassistenzsystemen – trotz grundsätzlicher Verbesserung der Verkehrssicherheit – für den VN doch eine Schlechterstellung gegenüber Fahrzeugen ohne Assistenzsystem zur Folge hat (S. 275 ff.).
Da eine Haftung des Herstellers des Assistenzsystems im Raum steht, wenn ein Unfall durch einen Fehler oder eine auf einem Instruktionsmangel des Herstellers beruhende unsachgemäße Nutzung eines Assistenzsystems verursacht wurde, behandelt Hammel in Kap. 7 seines Buches ausführlich die Produkt- und Produzentenhaftung bei Pkw mit Assistenzsystemen (S. 365 ff.).
Hammels Untersuchung überzeugt durch die gründliche Behandlung jeder angesprochenen Rechtsfrage, regelmäßig systematisch gegliedert in Problematik, Meinungsstand, kritische Analyse, Stellungnahme und Ergebnis. Angesichts der Fülle des Stoffes und der zahlreichen Themen, die in dem Buch behandelt werden, würde es den Rahmen einer Rezension sprengen, wollte man näher auf die einzelnen Antworten eingehen, die der Autor zu den aufgeworfenen Fragen findet. Allgemein lässt sich sagen, dass nach gründlicher Recherche und umfassender Auswertung von Rechtsprechung und Literatur (zusammengestellt auf den Seiten 497 bis 558) durchweg vernünftige Lösungen präsentiert werden. Die Orientierung in dem Buch und das Auffinden einzelner Fragestellungen werden durch die klare, tief gestaffelte Gliederung außerordentlich erleichtert. Zu den Kap. 3 bis 7 werden jeweils am Schluss Zusammenfassungen gegeben, Kap. 8 fasst noch einmal alle Ergebnisse der Untersuchung zusammen. Auch wegen dieser Hilfestellungen für den Leser macht es Spaß, mit dem Buch zu arbeiten.
Insgesamt erweist sich das Werk von Hammel als nahezu unerschöpfliche Fundgrube zur Klärung einer Vielzahl von Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Pkw mit Fahrerassistenzsystemen. Damit bildet es einen überaus kundigen Ratgeber für alle Anwälte, Versicherungsjuristen, Richter sowie Verbands- oder Unternehmensjuristen, die mit Rechtsfragen des modernen Kraftfahrwesens befasst sind, das ohne Fahrerassistenzsysteme nicht mehr auskommt. Auch für die wissenschaftliche Vertiefung der Rechtsfragen des assistierten Autofahrens bietet die Untersuchung von Hammel vielfältige Anregungen.
Der Rezensent, Prof. Dr. Rainer Freise, war Chefsyndikus der Deutschen Bahn und lehrt Transportrecht an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Haftung und Versicherung bei Personenkraftwagen mit Fahrerassistenzsystemen
Von Tobias Hammel
(VVW GmbH, Karlsruhe 2016, 610 S., kart., DIN A5, ISBN 978-3-89952-936-4, 84,99 Euro, Bd. 61 der VersR-Schriftenreihe)