Rezension: Handbuch Medizinrecht

Das Medizinrecht ist eine attraktive, wenngleich komplexe und zunehmend differenzierte Rechtsmaterie. Während zunächst Rechtsprechungsübersichten und wissenschaftliche Lehr- und Handbücher das medizinrechtliche Schrifttum dominierten, sind im letzten Jahrzehnt auch zahlreiche Handbücher und Kommentare in Ausrichtung auf die anwaltliche Berufspraxis erschienen. Dies verwundert wenig, hat sich doch die Zahl der Fachanwälte für Medizinrecht bis heute mehr als verdreizehnfacht, seitdem die Fachanwaltsordnung (FAO) diese Berufsbezeichnung im Jahr 2005 geschaffen hat.
Als eines der ersten erschienen, nimmt das nunmehr in 3. Aufl. vorliegende, von Rudolf Ratzel und Bernd Luxenburger herausgegebene Handbuch Medizinrecht eine Vorreiterrolle in der Anwaltsliteratur ein. Der verdiente Erfolg des Werks gründet da­rin, dass die vielgestaltigen Facetten des Medizinrechts in einem handlichen und klar strukturierten Band beleuchtet werden. Die Einteilung folgt der Normenhierarchie sowie – im einfachen Recht – typischen sachlichen Themenkreisen und ist mit insgesamt 42 Kapiteln umfassend, eingängig und bewährt. Neu eingefügt sind die beiden abschließenden Kapitel „Ärztliche Versorgungswerke“ von Daniel Brauer und „Betriebsarzt“ von Sven Lichtschlag-Traut. Diese sind, ebenso wie die Ko-Autorinnen anderer Kapitel Christine Greiner, Hendrike Jung und Yvonne J. Remplik, zum Kreis der Bearbeiter hinzugestoßen, den Steffen Kaiser und Achim Röschmann verlassen haben. Das Autorenteam vereinigt besondere berufspraktische Fachkompetenz, neben Rechtsanwälten – meist Fachanwälte für Medizinrecht – bringen auch etwa Steuerberater ihre Expertise ein. Zeigte sich die besondere Verbindung der Autoren zur Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im Deutschen Anwaltverein bislang auch darin, dass der Deutsche Anwaltverlag den Titel auflegte, übernimmt dies nunmehr C. F. Müller und baut so den medizinrechtlichen Verlagsschwerpunkt weiter aus. Das gewohnte Erscheinungsbild der Darstellung im Innenteil ist dabei weitestgehend erhalten geblieben, Hervorhebungen, Praxistipps, Hinweise, Beispiele und Tabellen dienen Lesefluss, Auffindbarkeit und Verständnis der Zusammenhänge. Weiter erleichtert ein Sachregister den Werkzugriff, das zwar geringfügig überarbeitet, aber – wie heute weit verbreitet – wohl aus den EDV-Vorlagen der Bearbeiter statt redaktionell erstellt zu sein scheint. Folglich sind einzelne Topoi mehrfach separat statt im Zusammenhang geführt (etwa Einzelnachweise zum Behandlungs- und Aufklärungsfehler). Andere zu erwartende Hauptstichworte – wie etwa „Fehleroffenbarungspflicht“ – sind hingegen nicht enthalten oder an ungewöhnlicher Stelle als Unter(unter)­stich­wort zu finden (hier: Stichwort „Arzthaftung“, Unterstichwort „Informationspflicht“, Unterunterstichwort „Behandlungsfehler“). Insoweit bleibt zu wünschen, dass der Verlag die Herausgeber künftig intensiver in Redaktion und Lektorat unterstützt. Jedenfalls für die Printversion bleibt ein zuverlässiges Sachregister äußerst hilfreich, auch wenn das Werk inzwischen zum selben Preis digital erhältlich und dort nach individuellen Stichworten durchsuchbar ist (E-Book: ISBN 978-3-8114-4562-8).
Inhaltlich ist die Neuauflage behutsam auf den aktuellen Rechtsstand gebracht. Wichtige jüngere Rechtsprechung und Gesetzgebung – wie etwa das PatRG, das GKV-VSG und GKV-VStG, NotSanG – sind eingearbeitet, auf laufende Gesetzesvorhaben wird hingewiesen, wie etwa auf das zwischenzeitlich in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen (s. Kap. 15 Rn. 156 a. E). Das Werk wird überdies damit beworben, nicht nur eine praxisnahe, sondern auch eine wissenschaftlich fundierte Darstellung des Medizinrechts zu liefern. Diesem Anspruch wird auch die 3. Aufl. gerade in ihren Grundlagenkapiteln gerecht. Gleichwohl fällt bisweilen auf, dass zitierte Literatur mitunter bereits in neuerer Auflage vorliegt und wesentliche Veröffentlichungen in zentralen Fachzeitschriften nicht immer berücksichtigt sind. Gerade der äußerst aktuelle Themenkreis des PatRG hätte sich stärker an den Wissenschaftsdiskurs anbinden lassen. Während dies in Kap. 10 nur kursorisch geschieht, behandelt dafür Kap. 13 zur Arzthaftung sowohl Behandlungsvertrag als auch PatRG abermals und sehr ausführlich mit zahlreichen, auch wissenschaftlichen Belegen. Die dogmatische Abgrenzung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung gerät dabei indes etwas aus dem Blick, ließe sich in einer Folgeauflage aber mit entsprechend angepasster Kapiteleinteilung und inhaltlicher Verschränkung der Beiträge wieder mehr berücksichtigten. Im Übrigen bleibt anzuregen, dass alle Bearbeiter neben aktueller Rechtsprechung auch das Schrifttum so umfassend berücksichtigen, wie es in einigen Kapiteln bereits geschieht. Der Austausch von Wissenschaft und Praxis kann gerade im Medizinrecht eine allseitige Bereicherung bewirken, wie die zunehmende Zahl von Studiengängen und Schwerpunktbereichsveranstaltungen mit Bezug zum Gesundheitswesen an den Hochschulen belegen.
Ungeachtet dieser Anregungen gehört das Handbuch insgesamt zweifellos und verdientermaßen zur Spitzengruppe der medizinrechtlichen Anwalts- und Praxisliteratur. Zugleich kompakt und inhaltlich umfassend angelegt, erfüllt es alle berufspraktischen Erwartungen. Es ist konsequent einer verständlichen Vermittlung spezieller Fachkenntnisse und sachlicher Erfahrung verpflichtet. Auch Medizinrechtlern mit langjähriger Tätigkeit im Anwalts- und Versicherungsbereich ist der Ratzel/Luxenburger eine wertvolle Hilfe bei der täglichen Arbeit. Die Lektüre ist gewinnbringend und empfehlenswert, dem Werk daher auch in dieser und weiteren Auflagen große Verbreitung und Erfolg zu wünschen.
Der Rezensent, Dr. iur. Tobias Voigt, ist Akademischer Rat am Institut für Medizinrecht der Universität zu Köln.

Handbuch Medizinrecht
Von Rudolf Ratzel und Bernd Luxenburger (Hrsg.)
(Verlag C. F. Müller, 3. Aufl., Heidelberg 2015, ISBN 978-3-8114-4561-1, LIII und 1987 S., geb., 149,99 Euro)

(Die Rezension wurde abgedr. in VersR 2017, 18)