Goretzky/Müller, Das aufsichtsrechtliche Pendel zwischen Gesetz und finanzpolitischen Vorgaben

Anmerkungen zum Merkblattentwurf der BaFin zu wohlverhaltensaufsichtlichen
Aspekten bei kapitalbildenden Versicherungen vom 31.10.2022

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 31.10.2022 einen Entwurf für ein „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungs-Produkten“ zur Diskussion gestellt. Stellungnahmen zu dem Entwurf nimmt die Aufsichtsbehörde bis zum 15.1.2023 entgegen. Wann die Regelungen in Kraft treten, wurde bisher nicht mitgeteilt.

Das Merkblatt richtet sich an Lebensversicherungsunternehmen, die der Aufsicht der BaFin unterliegen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie über den Versicherungsbetrieb (IDD) fallen und kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte vertreiben. Für die Aufsicht der BaFin über Lebensversicherer aus einem anderen EU/EWR-Mitgliedstaat werden die Vorschriften zum Produktfreigabeverfahren nicht gem. § 62 Abs. 1 S. 2 VAG für entsprechend anwendbar erklärt. Kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte im Sinne des Entwurfs sind sowohl Produkte mit Sparkomponenten i.S.d. Packaged Retail and Insurance-based Investment Products-Verordnung (PRIIPs-VO) als auch solche, die vom Anwendungsbereich der PRIIPs-VO ausgeschlossen sind4. Die BaFin bezieht sich in dem Merkblatt auf die von der EIOPA entwickelte Rechtsfigur eines „angemessenen Kundennutzens“. Das Merkblatt unterteilt sich in einen Abschnitt zu einem angemessenen Kundennutzen vertriebener Produkte sowie einen weiteren zu Interessenskonflikten beim Vertrieb von Versicherungsprodukten.

Hintergrund des laufenden Konsultationsverfahrens ist die seitens der BaFin angestoßene Debatte zu einer Begrenzung von Provisionen für kapitalbildende Lebensversicherungen. In einer Marktstudie aus dem März 2022 hatte die BaFin Kritik an zu hohen Provisionen der Lebensversicherer geäußert. Dabei konstatierte sie aus ihrer Sicht zu hohe Effektivkosten und äußerte Zweifel, ob die Produktfreigabeverfahren deutscher Lebensversicherer den Interessen, Bedürfnissen und Merkmalen des Zielmarkts ausreichend Rechnung trügen, was insofern einen Verstoß gegen die Wohlverhaltensregeln darstelle. Die zuständige Fachaufsicht des Finanzministeriums erteilte der Einführung eines zwischenzeitlich diskutierten „Provisionsdeckels“ mit dem Verweis auf die Unzuständigkeit der BaFin eine Absage. Mit dem jetzt konsultierten Merkblattentwurf verfolgt die BaFin den grundsätzlichen Ansatz einer Provisionsbegrenzung weiter, indem sie einen entsprechenden Fokus bei den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zum Produktgenehmigungsverfahren setzt.

In ihrem Artikel beleuchten die Autoren Dr. Kai-Michael Goretzky und Moritz Müller das Spannungsfeld zur Regulierung von Provisionszahlungen bei Lebensversicherern und kommentieren den BaFin-Entwurf nach geltendem Recht. Dabei wird die Frage untersucht, inwieweit hierfür de lege lata in hinreichendem Umfang Rechtsgrundlagen bestehen. Insbesondere wird die Verbindung zwischen dem Produktgenehmigungsverfahren und der Missstandsaufsicht beleuchtet.

(Der vollständige Aufsatz ist abgedruckt in VersR 2023, 17)