Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern kennt das deutsche Recht für Hinterbliebene keinen gesetzlich geregelten Anspruch für eine immaterielle Entschädigung beim Tod oder bei schwerer Verletzung eines nahen Angehörigen. Der historische Gesetzgeber hat dem Anspruch auf Geldersatz bei immateriellen Schäden enge Grenzen gezogen. Er hat es als anstößig betrachtet, einen solchen Schaden in Geld aufwiegen zu lassen.
Dabei ist die Schutzbedürftigkeit immaterieller Güter heute allgemein anerkannt. Infolgedessen hat die entgegenstehende Auffassung von Anfang an Kritik erfahren, zumal ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bei entgangener Nutzung des eigenen Pkw in voller Höhe gewährt und inzwischen als Grenzfall zum immateriellen Schadensersatz bezeichnet wird. Die deutsche Rechtsprechung trifft europaweit beim Ersatz von Kfz-Schäden die großzügigste Regelung, bei Schockschäden die restriktivste. Beim privaten Schadensersatz ist das deutsche Recht im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen eher geizig.
Da der Gesetzgeber einen immateriellen Schadensersatzanspruch nur für unmittelbar Geschädigte vorgesehen hat, das Leben aber in § 253 BGB nicht genannt ist, gibt es für den Verlust des Lebens für die Hinterbliebenen weder aus ererbtem Recht noch aus eigenem Recht einen Schmerzensgeldanspruch, der sich auch nicht aus § 844 BGB herleiten lässt. Aus dieser Bestimmung folgt vielmehr, dass im Fall der Tötung eines Menschen mittelbare Schäden nur ausnahmsweise ersetzt werden.
Seit Jahrzehnten besteht somit die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung für einen Entschädigungsanspruch beim Tod oder einer schweren Verletzung eines Angehörigen. Entsprechende Empfehlungen gaben der DJT im Jahr 1964 und der Europarat 1973. Gelegentlich wurde erwogen, bei einer Neuregelung des Schmerzensgeldes einen Anspruch wegen des Verlustes eines Angehörigen zu gewähren. Der Gesetzgeber hatte jedoch diese Forderung nicht aufgegriffen, er hat ein solches Schmerzensgeld aus verschiedenen Gründen nicht in das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften aufgenommen, das am 1. 8. 2002 in Kraft getreten ist. Ein besonderes Problem soll dabei u. a. die Definition der Anspruchsberechtigten darstellen, worauf u. a. Huber8 hingewiesen hat. Neben Fragen der Bemessung und Praktikabilität sollen auch Befürchtungen einer drohenden Kommerzialisierung menschlichen Lebens, von Trauer und Leid eine Rolle gespielt haben.
Über diese Bedenken hat sich der Gesetzgeber hinweggesetzt und – entsprechend der Absichtserklärung im Koalitionsvertrag – ein Gesetz verabschiedet, das einen Anspruch auf ein Hinterbliebenengeld einräumt (Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld BGBl 2017 I Nr. 48 vom 21. 7. 2017 S. 2421–2423. Das Gesetz tritt gemäß seinem Art. 12 am Tag nach der Verkündung in Kraft.).
(Der vollständige Aufsatz ist abgedr. in VersR 2017, 1041)