BGH: Kein Anscheinsbeweis zulasten eines rückwärts ausparkenden Kfz bei möglichem Stillstand vor der Kollision

Straßenverkehr
Anscheinsbeweis
Kein Anscheinsbeweis zulasten eines rückwärts ausparkenden Kfz bei möglichem Stillstand vor der Kollision
StVG § 17; StVO §§ 1, 9 Abs. 5
* 1. Steht fest, dass sich die Kollision beim Rückwärtsfahren ereignete, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt selbst also noch nicht stand, so spricht auch bei Parkplatz­unfällen ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 StVO in Verbindung mit der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat. *
* 2. Dagegen liegt die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs regelmäßig nicht vor, wenn beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist, aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand, als der andere rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist. *
* 3. Unabhängig vom Eingreifen eines Anscheinsbeweises können die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und weitere sie erhöhende Umstände im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1 und 2 StVG Berücksichtigung finden (i. A. an Senat VersR 2016, 410 und VersR 2016, 479). *
BGH, Urteil vom 11. 10. 2016 (VI ZR 66/16, LG Frankfurt/O.)