Die D&O-Versicherung des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Wirecard AG umfasst bei kritischer Medienberichterstattung und aufgrund dessen drohendem karrierebeeinträchtigenden Reputationsschaden auch vorläufigen Deckungsschutz für Public-Relations-Kosten. Dies beinhaltet die Kosten der Beauftragung einer PR-Agentur sowie presserechtlich spezialisierter Rechtsanwälte. Das OLG Frankfurt hat im Eilverfahren die Bekl. insoweit zu vorläufigem Deckungsschutz verurteilt.
Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kl.) ist ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Wirecard AG (im Folgenden: Wirecard). Er nimmt die Verfügungsbeklagte (im Folgendenn: Bekl.) auf Deckung von Public-Relations-Kosten (im Folgenden: PR-Kosten) aus einer D&O-Versicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) in Anspruch, welche die Wirecard bei der Bekl. für ihre Organmitglieder und Leitende Angestellte abgeschlossen hatte.
Gegen den Kl. wird ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft München u.a. wegen des Verdachts des bandenmäßigen Betrugs, der Bilanzfälschung, Marktmanipulation und Verstößen gegen das WpHG geführt. Er befindet sich seit Sommer 2020 in Untersuchungshaft und weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Die im Ermittlungsverfahren erhobenen Vorwürfe sind Gegenstand zahlreicher kritischer Medienberichte. Der Kl. beauftragte eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei sowie eine Presseagentur. Die insoweit anfallenden Kosten verlangt er von dem bekl. Versicherer ersetzt. Die Bekl. lehnte die Deckung u.a. mit der Begründung ab, dass PR-Kosten nur in Bezug auf eine Berichterstattung über die zivilrechtliche Inanspruchnahme des Kl., nicht aber in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren zu ersetzen seien.
Das LG hat den auf Gewährung vorläufigen Deckungsschutzes für PR-Kosten gerichteten Eilantrag zurückgewiesen.
Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG überwiegend Erfolg. Der Kl. habe Anspruch auf Gewährung von vorläufigem Versicherungsschutz für PR-Kosten. Gemäß den Versicherungsbedingungen seien PR-Kosten gedeckt, wenn einer versicherten Person „durch kritische Medienberichterstattung über einen versicherten Haftpflicht-Versicherungsfall ein karrierebeeinträchtigender Reputationsschaden“ drohe. Es komme nicht darauf an, ob die Berichterstattung sich mit dem Versicherungsfall einer konkreten zivilrechtlichen Inanspruchnahme (Haftpflicht-Versicherungsfall) befasse oder sich auf den durch das Ermittlungsverfahren ausgelösten Versicherungsfall (Verfahrensrechtsschutz-Versicherungsfall) beziehe. Bei verständiger Auslegung der Versicherungsbedingungen solle gerade Schutz vor existenzieller Beschädigung des Ansehens im Zusammenhang mit strafrechtlichen Vorwürfen gewährt werden. Soweit die Berichterstattung nicht ohnehin im Rahmen zulässiger Verdachtsberichterstattung hinzunehmen sei und durch die Einschaltung einer PR-Agentur oder durch gerichtliche Maßnahmen abgewendet oder gemindert werden könne, werde dem Versicherten ausdrücklich umfassender Reputationsschutz zugesagt.
Der Kl. könne damit Deckung der erforderlichen und angemessenen Kosten verlangen, die durch die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei sowie der PR-Agentur entstünden. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des zugesagten vorläufigen Deckungsschutzes, zu dem der Senat bereits in seinem Urteil vom 7.7.2021 (7 U 19/21, VersR 2021, 1362) eine Entscheidung getroffen hat. Ein Zuwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei nicht zumutbar, da etwaige Rechtsverletzungen kurzfristige Reaktionen erforderten.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
OLG Frankfurt, Urt. v. 5.11.2021 – 7 U 96/21
(Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 69 vom 8.11.2021)
Anmerkung der Redaktion: Vgl. zu der in der Pressemitteilung zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt vom 7.7.2021 (7 U 19/21, VersR 2021, 1362) den VersR BLOG von Langheid vom 1.11.2021.