Ein versicherter Wegeunfall ist nicht dadurch generell ausgeschlossen, dass der Versicherte Cannabis konsumiert hat.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 4.5.2017 gegen 13.30 Uhr auf dem direkten Weg von seinem Wohnort zum Beschäftigungsort einen Verkehrsunfall. Der Kläger war mit einem E-Fahrrad unterwegs. Bei einer Straßenüberquerung übersah er einen von rechts kommenden Pkw. Dieser konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Der Kläger schlug mit dem Körper auf die Windschutzscheibe des Pkw auf. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens gab er an, dass er am Abend vor dem Unfall zwischen 20.00 und 22.00 Uhr eine Cannabis-Zigarette geraucht habe. Er habe regelmäßig Cannabis geraucht. Die Wirkung halte bei ihm aber nur wenige Stunden an, sodass er am nächsten Morgen nicht mehr unter Einfluss der Droge gestanden habe. Er habe das von rechts kommende Auto schlicht übersehen.
Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte eine Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab. Allein aufgrund des nachgewiesenen THC-Werts von 10 ng/ml im Serum sei von einem drogenbedingten Fehlverhalten auszugehen.
Dieser Einschätzung hat sich das SG Osnabrück nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht angeschlossen. Ein verbotswidriges Handeln schließt den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht grundsätzlich aus, so das Gericht. Auch das sogenannte Rechtsinstitut der selbstgeschaffenen Gefahr greift vorliegend nicht ein. Denn für Cannabis gibt es im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung und damit auch keinen Wert für eine absolute Fahruntüchtigkeit. Allein aufgrund der Blutuntersuchung nach dem Unfall lässt sich deshalb keine konkrete Beeinträchtigung der Wegefähigkeit nachweisen; auch reicht allein ein objektiv riskantes Verhalten nicht aus. Vielmehr müssen daher auch bei einem nachgewiesenen THC-Wert von 10 ng/ml im Serum immer Beweiszeichen vorliegen, die es nahelegen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt rauschmittelbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Wegs nicht mehr imstande gewesen ist. Hierfür trägt die Beklagte die Beweislast.
Eine konkrete Beeinträchtigung des Klägers durch den Drogenkonsum im Unfallzeitpunkt hat sich aber nicht feststellen lassen. Zwar hat sich dieser nicht an die StVO gehalten, da er die Straße überquert hat, ohne ausreichend auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten. Dabei handelt es sich aber zur Überzeugung des Gerichts nicht um ein klares Anzeichen für eine drogenbedingte Fahruntüchtigkeit. Vielmehr kann eine solche Unachtsamkeit auch ohne Drogeneinfluss geschehen. Hierzu hat das Gericht darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des BSG auch nicht den Versicherungsschutz beendet, wenn ein Versicherter aus bloßer Unachtsamkeit die Fahrspur wechselt oder fahrlässig auf die Gegenfahrbahn gerät. Über den Verkehrsverstoß hinaus hatten weder die Zeugen noch die Notärzte irgendwie geartete drogenbedingte Anzeichen angegeben bzw. festgestellt.
Das Urteil ist rechtskräftig.
SG Osnabrück, Urteil vom 7.2.2019 (S 19 U 40/18)