EuGH: Zum Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ nach Brand in einer Garage

Ein Sachverhalt, in dem ein seit mehr als 24 h in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes Fahrzeug Feuer fing, durch das ein Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde, ist unter den Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne der Richtlinie über die Kfz-Haftpflichtversicherung zu subsumieren.

Tatbestand

Im August 2013 fing ein in der Privatgarage eines Hauses geparktes Fahrzeug, mit dem seit mehr als 24 h nicht gefahren worden war, Feuer, wodurch Schäden verursacht wurden. Der Brand ging vom Schaltkreis des Fahrzeugs aus. Der Eigentümer des Fahrzeugs hatte bei der Línea Directa Aseguradora, S.A. (im Folgenden: Línea Directa) eine Kfz-Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Das Haus war bei der Segurcaixa, Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros (im Folgenden: Segurcaixa) versichert, und der Gesellschaft, in deren Eigentum das Haus stand, wurden 44 704,34 Euro als Ersatz für die infolge des Fahrzeugbrandes am Haus entstandenen Schäden gezahlt.

Im März 2014 erhob Segurcaixa Klage gegen Línea Directa auf Erstattung der gezahlten Entschädigung, weil der Schadensfall bei einem durch die Kfz-Versicherung gedeckten Ereignis bei der Fahrzeugverwendung entstanden sei. Die Klage von Segurcaixa wurde in erster Instanz abgewiesen. Hingegen wurde Línea Directa im Rechtsmittelverfahren zur Zahlung des von Segurcaixa begehrten Schadensersatzes verurteilt, wobei das zuständige Gericht feststellte, dass ein „Ereignis bei der Fahrzeugverwendung“ nach dem spanischen Recht in dem Fall vorliege, „dass ein vorübergehend in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug in Brand gerät, wenn der Brand ursächlich im Innern des Fahrzeugs selbst, ohne Zutun Dritter, entstanden ist“.

Línea Directa legte gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) ein. Da das Tribunal Supremo Zweifel in Bezug auf die Auslegung des Begriffs „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne der Richtlinie über die Kfz-Haftpflichtversicherung (Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2009 über die Kfz-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht [ABl. 2009, L 263, S. 11]) hegt, hat es beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

In seinem heutigen Urteil stellt der Gerichtshof fest, dass ein Sachverhalt, in dem ein in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes Fahrzeug Feuer fing, durch das ei n Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde, unter den Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ zu subsumieren ist, auch wenn das Fahrzeug seit mehr als 24 h vor Brandentstehung nicht bewegt worden war.

Aus den Gründen:

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ einen autonomen Begriff des Unionsrechts darstellt, dessen Auslegung nicht dem Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten überlassen werden darf. Zudem betont er, das s das Ziel des Schutzes der Opfer von Unfällen, die durch diese Fahrzeuge verursacht werden, vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgt und gestärkt wurde. Der Gerichtshof hält fest, dass nach seiner Rechtsprechung (vgl. insbesondere Urteile des Gerichtshofs vom 20. 12. 2017, Núñez Torreiro [C-334/16], und vom 15. 11. 2018, BTA Baltic Insurance Company [C-648/17]) der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne der Richtlinie nicht auf Situationen der Verwendung im Straßenverkehr beschränkt ist und jede Verwendung eines Fahrzeugs umfasst, die dessen gewöhnlicher Funktion entspricht , insbesondere jede Verwendung eines Fahrzeugs als Beförderungsmittel.

Zum einen schließt der Umstand, dass das an einem Unfall beteiligte Fahrzeug bei Eintritt des Unfalls stand, für sich allein nicht aus, dass die Verwendung dieses Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt unter seine Funktion als Beförderungsmittel subsumiert werden kann. Zum anderen beschränkt keine Vorschrift der Richtlinie den Umfang der Pflichtversicherung – und des Schutzes, der damit denjenigen gewährt werden soll, die bei durch Kraftfahrzeuge verursachten Unfällen geschädigt worden sind – auf die Fälle einer Verwendung der Fahrzeuge in einem bestimmten Gelände oder auf bestimmten Straßen.
Der Gerichtshof leitet daraus ab, dass es für die Tragweite des Begriffs „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne der Richtlinie nicht auf die Merkmale des Geländes ankommt, auf dem dieses Fahrzeug verwendet wird, und insbesondere nicht darauf, ob das betroffene Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt steht und sich auf einem Parkplatz befindet. Unter diesen Umständen sind das Parken und die Standzeit des Fahrzeugs als natürliche und notwendige Phasen anzusehen, die einen wesentlichen Bestandteil der Verwendung des Fahrzeugs als Beförderungsmittel darstellen. Demnach wird ein Fahrzeug während des Parkens zwischen zwei Fahrten grundsätzlich entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendet.
Im vorliegenden Fall stellt der Gerichtshof fest, dass das Parken eines Fahrzeugs in einer Privatgarage eine der Funktion als Beförderungsmittel entsprechende Verwendung darstellt. Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Fahrzeug mehr als 24 h lang in dieser Garage geparkt war, denn das Parken eines Fahrzeugs bedeutet, dass dieses bis zur nächsten Fahrt, mitunter über einen längeren Zeitraum, stillsteht.
Hinsichtlich des Umstands, dass der in Rede stehende Unfall auf einen Brand zurückzuführen ist, der durch den Schaltkreis eines Fahrzeugs verursacht wurde, stellt der Gerichtshof fest, dass das Fahrzeug, von dem dieser Unfall ausgeht, der Definition von „Fahrzeug“ im Sinne der Richtlinie entspricht, weshalb es nicht notwendig ist, von den Teilen des Fahrzeugs jenes ausfindig zu machen, von dem der Schaden ausgeht, oder die Funktionen zu bestimmen, die dieses Teil erfüllt.

EuGH, Urteil vom 20. 6. 2019 (Rs C-100/18)

Pressemitteilung des EuGH Nr. 80/19 vom 20. 6. 2019 (Rs C-100/18)
(Línea Directa Aseguradora, S.A. / Segurcaixa, Sociedad Anónima de Seguros y Reaseguros)

LG Coburg zur Verjährung von Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen

Die Klage eines Grundstückseigentümers gegen seine Nachbarn auf Beseitigung bestehender und Unterlassung künftiger Feuchtigkeitseinwirkungen auf seine an der Grundstücksgrenze errichtete Garage wurde abgewiesen. Die Ansprüche sind verjährt.

Macht der Berechtigte seine Ansprüche nicht rechtzeitig geltend, tritt Verjährung ein. Mag die Klage zu einem früheren Zeitpunkt auch noch so erfolgreich gewesen sein, nach Verjährungseintritt ist sie auf Kosten der Klagepartei abzuweisen, wenn sich die Gegenseite hierauf beruft. So werden Streitigkeiten über längst vergangene und deshalb auch schwer aufklärbare Umstände vermieden, dauerhaft Rechtssicherheit und Rechtsfrieden geschaffen.

Tatbestand:

In dem vom LG Coburg entschiedenen Fall stritten Nachbarn bereits vor einigen Jahren um Putzabplatzungen, Feuchtigkeitserscheinungen u. a. an der Garage des Kl. Der hatte die Garage 1993 unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Bekl. errichten lassen, welche ihrerseits 1998 einen Carport ebenfalls an der Grundstücksgrenze errichteten, u. a. für die Lagerung von Holz. Weil schon 2003 Schäden an der Garagenwand entstanden waren, hatten sich die Nachbarn damals darauf verständigt, dass mit geringem Abstand zur Garagenwand zu deren Schutz am Carport der Bekl. eine Sperrholzplatte angebracht werden sollte, was auch geschah.

Weil der Kl. meinte, später aufgetretene Feuchtigkeits- u. a. Schäden an seiner Garage würden von dem im Carport gelagerten Holz herrühren, verlangte er mit seiner im Jahr 2013 erhobenen Klage zunächst die Beseitigung des Holzes. Später, aus Anlass eines vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens, behauptete der Kl., die Schäden an seiner Garagenwand seien auf Erdaufschüttungen zurückzuführen, die die Bekl. bei der Errichtung ihres Carports beauftragt hätten.

Die Bekl. beriefen sich auf Verjährung und machten weiter geltend, nicht sie, sondern der Voreigentümer ihres Grundstücks habe die Erdaufschüttungen zu verantworten.

Aus den Gründen:

Das LG wies die Klage ab. Dem Umstand, dass der Kl. schon nicht nachgewiesen hatte, dass die Bekl. und nicht der Voreigentümer ihres Grundstücks die Erdaufschüttungen veranlasst hatten, spielte dabei keine entscheidende Rolle, weil die Ansprüche des Kl. verjährt waren.
Davon waren sowohl die geltend gemachte Beseitigung der Feuchtigkeitseinwirkungen als auch die weiterhin beantragte Unterlassung künftiger Eigentumsbeeinträchtigungen durch weiteres Eindringen von Wasser erfasst.
Die Verjährung tritt in diesen Fällen innerhalb von drei Jahren ein, nachdem die Störung eingetreten ist und der Kl. die wesentlichen Umstände seines Anspruchs kennt oder jedenfalls kennen müsste. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, tritt Verjährung jedenfalls nach zehn Jahren ein. Entscheidend für den Beginn der genannten Fristen ist das Entstehen der Störungsquelle, um deren Beseitigung es geht. Das war hier mit der Errichtung des Carports aber bereits 1998 der Fall gewesen. Auch von der Feuchtigkeit an seiner Garagenwand wusste der Kl. bereits seit 2003, so dass der beantragte Unterlassungsanspruch, der erstmals im Jahr 2015 im laufenden Verfahren geltend gemacht wurde, ebenfalls schon verjährt gewesen war.

Soweit der Kl. schließlich noch die Entfernung der Sperrholzplatte von der Carport-Rückwand der Bekl. verlangt hatte, verlor er den Rechtsstreit ebenfalls. Nach der Entscheidung des LG kann der Kl. nicht zunächst seine Garage unmittelbar an der Grundstücksgrenze errichten und sodann von seinem Nachbarn verlangen, dass dieser eine ausreichende Hinterlüftung der Garagenwand gewährleistet. Hierfür hätte der Kl. mit der Einhaltung eines Grenzabstandes vielmehr leicht selbst sorgen können und auch müssen.

Die Berufung des Kl. gegen das Urteil des LG wies das OLG Bamberg zurück.

LG Coburg, Urteil vom 9. 12. 2015 (12 O 88/15)

Nachgehend OLG Bamberg, Urteil vom 18. 7. 2016 (4 U 7/16)

Pressemitteilung des LG Coburg 20/16 vom 21. 11. 2016