Verletzt sich eine Spielerin beim Frauenfußball im Rahmen eines im Kampf um den Ball geführten, üblichen Zweikampfs, stehen ihr keine Schadensersatzansprüche gegen die andere am Zweikampf beteiligte Spielerin zu.
Es gelten die höchstrichterlichen Haftungsregeln bei sportlichen Wettkämpfen mit erheblichem Gefahrenpotenzial, die auch im Männerfußball Anwendung finden.
Ausgehend hiervon hat der 9. Zivilsenat des OLG Hamm mit Hinweisbeschluss vom 22.12.2016 der Berufung einer klagenden Spielerin gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Essen keine Erfolgsaussichten beigemessen. Die klagende Spielerin hat die Berufung darauf hin am 16.1.2017 zurückgenommen.
Tatbestand:
Die am Rechtsstreit beteiligten Spielerinnen aus Gelsenkirchen trafen in einem im Juni 2015 in der Glückauf-Kampfbahn ausgetragenen Bezirksligafrauenfußballspiel zweier Gelsenkirchener Sportvereine aufeinander. An dem Spiel nahmen die Kl. als Mittelfeldspielerin des einen und die Beklagte als Torhüterin des gegnerischen Vereins teil. Wenige Minuten nach Spielbeginn gab die Kl. im gegnerischen 16-m-Raum einen Torschuss ab und wurde unmittelbar darauf durch einen Tritt der Bekl. am rechten Unterschenkel verletzt. Die Kl. schied verletzt aus dem Spiel aus, das der Schiedsrichter – ohne auf Foulspiel der Bekl. zu erkennen – fortsetzen ließ. Durch den Vorfall zog sich die Kl. eine Unterschenkelfraktur zu, die notfallmäßig operiert werden musste. Komplikationen im weiteren Heilungsverlauf machten weitere Operationen erforderlich. Nach Darstellung der Kl. bildete sich bei ihr aufgrund der Verletzung ein Kompartmentsyndrom aus, das eine traumatische Nervenverletzung zur Folge hatte, sodass sie noch heute sichtbar gehbehindert ist. Mit der Begründung, die Bekl. habe sie, die Kl. absichtlich mit gestrecktem Bein gefoult, nachdem sie einen aus dem Mittelfeld heraus geflankten Ball ins Tor geschossen hatte, hat die Kl. von der Bekl. Schadensersatz verlangt, u. a. ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro. Die Bekl. hat ein absichtliches Foulspiel bestritten. Im Kampf um den Ball sei sie, einen Sekundenbruchteil nachdem die Kl. den Ball habe ins Tor spitzeln können, mit der Kl. zusammengestoßen. Den Zusammenstoß habe sie
nicht mehr verhindern können, weil sie und die Kl. mit hoher Geschwindigkeit auf den Ball zugelaufen seien.
Das LG hat die Parteien angehört, den Schiedsrichter, Zuschauer sowie Spielerinnen beider Mannschaften als Zeugen vernommen. Mit dem angefochtenen Urteil hat es die Klage abgewiesen.
Aus den Gründen:
Die Kl. habe sich die Verletzung bei einem sportlichen Wettkampf mit beachtlichem Gefahrenpotenzial zugezogen. Bei diesem bestehe typischerweise auch bei Einhaltung der Regeln oder bei geringfügigen Regelverletzungen die Gefahr gegenseitiger Schädigung. Daher sei davon auszugehen, dass jeder Teilnehmer Verletzungen, auch mit schwersten Folgen, in Kauf nehme, die bei einer regelkonformen Ausübung der Sportart nicht zu vermeiden seien. Eine Haftung komme deswegen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Regelwidrigkeit und beim Überschreiten der Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unfairem Regelverstoß in Betracht. Einen derartigen Regelverstoß der Bekl. habe die Kl. in Bezug auf die von ihr erlittene Verletzung nicht beweisen können.
Die gegen das LG-Urteil eingelegte Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Der 9. Zivilsenat des OLG Hamm hat den der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechenden – und auch im Männerfußball anzuwendenden – rechtlichen Bewertungsmaßstab des LG bestätigt. Es gebe, so der Senat, auch keinenGrund, die Beweiswürdigung des LG zu beanstanden. Den Zeugenaussagen sei zu entnehmen, dass die Kl. anlässlich eines bei Fußballspielen üblichen Zweikampfs um dem Ball verletzt worden sei. Keine Aussage lasse den Schluss zu, dass es der Bekl. in der Spielsituation allein darum gegangen sei, die Kl. für ihren Torschuss regelwidrig zu bestrafen.
Nach dem vom 9. Zivilsenat am 20.12.2016 erlassenen Hinweisbeschluss hat die Kl. ihre Berufung am 16.1.2017 zurückgenommen.
OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 22. 12. 2016 (9 U 138/16).
Pressemitteilung des OLG Hamm vom 9. 2. 2017