LSG Stuttgart: Zur Beitragspflicht steuerlicher Veräußerungsgewinne

Kurzbeschreibung: Wer in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versichert ist, hat auch dann Beiträge aus einem steuerlichen Veräußerungsgewinn zu entrichten, wenn der Betrieb nicht veräußert wird, sondern der Versicherte nach Betriebsaufgabe das Betriebsvermögen in sein Privatvermögen überführt.

Der 70-jährige Versicherte ist als hauptberuflich Selbständiger freiwillig krankenversichert gewesen. Bis zum Jahr 2012 betrieb er eine Gaststätte. Nach der Betriebsaufgabe entnahm er Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen in sein Privatvermögen, ebenso das Betriebsgrundstück.

Das zustände Finanzamt setzte im Jahr 2014 mit dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2012 als Besteuerungsgrundlagen u. a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von rd. 80.000 Euro fest, darunter 25.000 Euro als Einzelunternehmer und rd. 100.000 Euro aus Veräußerungsgewinnen abzüglich steuerfrei bleibender Veräußerungsgewinne von 45.000 Euro. Die bekl. Kranken- und Pflegekasse berücksichtigte die verbleibenden 55.000 Euro aus Veräußerungsgewinn bei der Bemessung der monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Widerspruch und Klage vor dem SG Heilbronn hatten keinen Erfolg.

Auch die Richterinnen und Richter des Landessozialgerichts haben den Behörden Recht gegeben. Maßgeblich für die Höhe der Beiträge bei freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds. Beitragspflichtig ist auch der steuerliche Veräußerungsgewinn bei Betriebsaufgabe als „Einnahme, die für den Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann“, entschied das LSG. Mit der Erfassung von Veräußerungsgewinnen werden auch die bisher nicht realisierten stillen Reserven erfasst. Durch die Aufdeckung der stillen Reserven kommt es zu einem beitragsrechtlich zu beachtenden Vermögenszuwachs im Privatvermögen des Klägers. Die im Gesetz angelegten Parallelität von sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Einkommensermittlung führt dazu, dass die Freibeträge nach dem Einkommensteuergesetz zu berücksichtigen sind. Der Veräußerungsgewinn bei Betriebsaufgabe ist deshalb nach Abzug der steuerrechtlichen Freibeträge bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das LSG die Revision zum BSG zugelassen.

LSG Stuttgart vom 18. 10. 2016 (L 11 KR 739/16)

Pressemitteilung des LSG Stuttgart