OLG Koblenz: Keine Erstattung der Kosten des Privatgutachtens eines Bauherrn wegen fehlender Prozessbezogenheit

Prozessrecht
Privatgutachten
Keine Erstattung der Kosten des Privatgutachtens eines Bauherrn wegen fehlender Prozessbezogenheit
ZPO §§ 91, 286; BGB §§ 631, 632
* Bloßer Argwohn des Bauherrn gegenüber Umfang und Inhalt der Bauleistungen erfordern es im Vorfeld einer allenfalls denkbaren Zahlungsklage des Bauunternehmers nicht, einen privaten Bausachverständigen zu beauftragen. Dessen Kosten sind daher weder prozessbezogen noch notwendig und daher nicht zu erstatten. *
OLG Koblenz, Beschluss vom 20. 5. 2015 (14 W 335/15)
Anmerkung der Redaktion: Vgl. zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens OLG Frankfurt/M. VersR 2014, 979.

(abgedr. in VersR 2016, 876)

BGH: Zu den Anforderungen an den Nachweis eines Kartellschadens

Der Kartellsenat des BGH hat sich damit befasst, wie weit die Bindungswirkung an die Feststellung eines Kartellrechtsverstoßes im Kartell-verwaltungsverfahren reicht, wenn später Schadensersatz wegen dieses Verstoßes begehrt wird, und welche Anforderungen dabei an die Feststellung eines Schadens zu stellen sind.

Tatbestand

Die Klägerin, eine gewerbliche Spielvermittlerin, verlangt von der Beklagten, der Lottogesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Schadensersatz wegen eines Kartellrechtsverstoßes.

Die Veranstaltung von Lotterien ist in Deutschland grundsätzlich den Lottogesellschaften der Bundesländer vorbehalten, die sich im Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) zusammengeschlossen haben. Ab April 2005 versuchte die Klägerin mit verschiedenen Kooperationspartnern, eine Vermittlung für Spieleinsätze bei den staatlichen Lotterien aufzubauen. Dazu sollten Verkaufsstellen in Einzelhandelsgeschäften wie Supermärkten oder Tankstellen errichtet werden („terrestrischer Vertrieb“). Einnahmen wollte die Klägerin aus Gebühren der Spielteilnehmer und Provisionszahlungen der Lottogesellschaften erzielen. Der Rechtsausschuss des Deutschen Lotto- und Totoblocks (DLTB) forderte die Lottogesellschaften auf, Umsätze aus dem terrestrischen Vertrieb gewerblicher Spielvermittler zurückzuweisen. Das Bundeskartellamt verbot daraufhin dem DLTB und den Lottogesellschaften der Länder eine solche Aufforderung und die Umsetzung des Beschlusses des Rechtsausschusses; diese Verfügung wurde durch Beschluss des BGH vom 14.8.2008 rechtskräftig bestätigt (KVR 54/07, WuW/E DE-R 2408 [Lottoblock I]; s. Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 155/2008 vom 14.8.2008).

Die Klägerin verlangt Ersatz entgangenen Gewinns für die Jahre 2006 bis 2008. Sie macht geltend, wegen des Kartellrechtsverstoßes der Lottogesellschaften habe sie das Vermittlungsgeschäft nicht wie geplant aufbauen und entwickeln können.

Das OLG hat die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rd. 11,5 Mio. Euro zuzüglich Zinsen verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hat der Kartellsenat des BGH diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Aus den Gründen:

Aufgrund der Entscheidung „Lottoblock I“ steht nach § 33 Abs. 4 GWB für den Schadensersatzprozess bindend fest, dass die Lottogesellschaften den Beschluss des Rechtsausschusses des DLTB befolgt und durch ihr in dieser Weise abgestimmtes Verhalten gegen Kartellrecht verstoßen haben. Anders als vom OLG angenommen, ergibt sich daraus jedoch nicht, wie lange dieses kartellrechtswidrige Verhalten angedauert hat.

Allerdings durfte das OLG annehmen, dass sich die Verhaltensabstimmung bis 2008 auf das Marktverhalten der Lottogesellschaften ausgewirkt hat. Jedenfalls bei einer einmaligen kartellrechtswidrigen Abstimmung, die auf zeitlich unbeschränkte Wettbewerbswirkungen angelegt ist, spricht eine Vermutung dafür, dass sie von den beteiligten Unternehmen dauerhaft beachtet wird und das Marktgeschehen andauernd beeinflusst, solange sich die maßgeblichen Umstände nicht wesentlich ändern. Diese Vermutung ist nicht, wie die Revision meint, mit der Zustellung der Verfügung des Bundeskartellamts entfallen. Vielmehr ist für die Widerlegung der Vermutung in einem solchen Fall erforderlich, dass sich ein an dem Kartellrechtsverstoß beteiligtes Unternehmen offen und eindeutig von der Abstimmung distanziert. Nach den Feststellungen des OLG ist dies nicht geschehen.

Damit steht jedoch noch nicht fest, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Klägerin durch das abgestimmte Verhalten der Lottogesellschaften ein Schaden entstanden ist. Für diese Beurteilung gilt zwar die Beweiserleichterung des § 287 Abs.1 ZPO, wobei § 252 S.2 BGB dem Verletzten für die Darlegung und den Nachweis eines entgangenen Gewinns eine ergänzende Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren Vermutung gewährt. Das OLG hat aber bei der unter Beachtung dieses Maßstabs vorzunehmenden Prüfung, ob und in welcher Höhe der Klägerin ein Schaden entstanden ist, nicht alle erheblichen Umstände berücksichtigt.

So erscheint es mangels anderweitiger Feststellungen möglich, dass die Lottogesellschaften trotz bestehender ökonomischer Anreize für eine Kooperation mit der Klägerin auch ohne kartellrechtswidrige Abstimmung bei autonomer unternehmerischer Entscheidung nicht oder nur zögernd und in geringerem als von der Klägerin geplanten Umfang Vermittlungsverträge mit der Klägerin abgeschlossen und Provisionen an sie gezahlt hätten. Dafür könnte ein Wunsch, das bisherige Vertriebssystem für Lotterien zu schützen, und die Unsicherheit über das künftige Glücksspielrecht sprechen, da das BVerfG zum damaligen Zeitpunkt eine Neuausrichtung des Glücksspielrechts am Ziel der Vermeidung von Suchtgefahren für verfassungsrechtlich geboten erklärt hatte. Außerdem hat das OLG einen zwischen 2005 und 2008 bei den Lottogesellschaften eingetretenen Umsatzrückgang sowie die zeitweise in mehreren neuen Bundesländern und Berlin geltenden gesetzlichen Provisionsverbote bei gewerblicher Spielvermittlung bei der Schadensberechnung nicht ausreichend berücksichtigt.

BGH, Urteil vom 12.7. 2016 (KZR 25/14) (Lottoblock II)

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 12.7.2016 Nr. 117/2016

SG Trier: Unfallversicherungsschutz für Fußballer

Das SG Trier hatte in seiner Sitzung am 6.7.2016 den unfallversicherungsrechtlichen Status eines Vertragsspielers aus der Region zu prüfen.

Der Kläger war aufgrund eines Arbeitsvertrags entsprechend der Spielordnung des DFB als Vertragsspieler bei dem beigeladenen Fußballverein beschäftigt. Bei einem Punktespiel erlitt er eine (erneute) Ruptur des vorderen Kreuzbandes.

Der beklagte Träger der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab, weil es an einer dem Versicherungsschutz unterfallenden Tätigkeit fehle. Der Kläger habe nicht in einem erforderlichen Beschäftigungsverhältnis gestanden, denn die bezogene monatliche Vergütung von 250 Euro stehe nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum zeitlichen Aufwand von ca. 35 Stunden im Monat. Angemessen sei für die Beklagte nur eine Vergütung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde. Insofern beruhe auch der Mindestlohn auf vergleichbaren Erwägungen. Nach diesen Maßstäben handele es „sich“ nur um einen Unfall im unversicherten Freizeitsport.

Das Gericht hielt die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage für begründet. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es auf die Entgelthöhe nicht entscheidend an. Es bedürfe auch keiner Entscheidung zu der in Bezug auf das Mindestlohngesetz (MiLoG) vertretenen Auffassung der Bundesregierung und der Sportverbände, wonach Vertragsamateure als „ehrenamtlich Tätige“ vom Anwendungsbereich des MiLoG ausgenommen seien, denn in Kenntnis dieser Auffassung hätten der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Rentenversicherung Bund und auch die Bundesagentur für Arbeit in einem erneuten Besprechungsergebnis vom 18.11.2015 ihre schon bisher vertretene Auffassung bekräftigt, dass bei Überschreiten der Steuerfreigrenze von 200 Euro monatlich (§ 3 Nr. 26 S. 1 Einkommensteuergesetz [EStG]) von der Ausübung einer sozialversicherungsrechtlich relevanten Beschäftigung auszugehen sei. Mithin habe auch der Kläger im Unfallzeitpunkt eine dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII unterfallende Tätigkeit ausgeübt.

Im konkreten Fall sei ein Klageerfolg zudem noch unter dem Gesichtspunkt der Formalversicherung gegeben, nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 21.10.2014 ausdrücklich in den Versicherungsschutz einbezogen habe und diese verbindliche Feststellung erst nach Eintritt des Unfalls (rückwirkend) wieder habe ändern wollen. Nach diesen Hinweisen erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft den Klageanspruch auf Anregung des Vorsitzenden an und der Rechtsstreit konnte ohne gerichtliche Entscheidung erledigt werden.

SG Trier vom 6.7.2016 (S 5 U 141/15)

Pressemitteilung 2/2016 vom 7.7.2016 des SG Trier

LG Magdeburg: Kein ersatzfähigen Schaden nach Zerstörung eines Feldes bewiesen

Mit am 13. 4. 2016 verkündetem Urteil hat die 9. Zivilkammer die Klage des Leibniz Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben gegen sechs Männer und Frauen abgewiesen.

Das Institut hatte von den vier männlichen und zwei weiblichen Beklagten insgesamt Schadensersatz in Höhe von knapp 250.000 Euro gefordert. Dieser Betrag müsse aufgewendet werden, um den Freilandversuch komplett zu wiederholen.

Die Beklagten haben am 21.4. 2008 ein Versuchsfeld in Gatersleben u. a. mit gentechnisch veränderten Pflanzen etwa zur Hälfte zerstört. Dabei wurden sie durch ein Kamerateam und einen Fotografen begleitet.

Mit Urteilen vom 11.6.2009 hatten das LG Magdeburg und mit Urteil vom 25.5.2010 das OLG Naumburg (9 U 116/09) bereits entschieden, dass die Beklagten rechtswidrig gehandelt haben, als sie die Pflanzen zerstört haben. Damit waren die Beklagten an sich verpflichtet Schadensersatz zu zahlen.

In dem nun laufenden Prozess ging es daher nur noch darum, ob es dem Institut gelingt, der Höhe nach einen erstattungsfähigen Schaden zu beweisen. Die Führung dieses Beweises ist nach Überzeugung des Gerichts dem Kläger nicht gelungen.

Da nur ein Teil der Pflanzen zerstört wurde, hätte der Kläger beweisen müssen, dass der Versuch nicht mehr hätte wissenschaftlich ausgewertet werden können. Dieser Beweis ist dem Kläger nicht gelungen Ein vom Gericht hinzugezogener Sachverständiger hat festgestellt, dass der Versuch noch durchaus hätte wissenschaftlich ausgewertet werden können. Auch aus dem teilweise zerstörten Versuchsfeld hätten noch wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden können.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, und kann vom Kläger binnen einen Monats nach Zustellung mit der Berufung zum Oberlandesgericht Naumburg angefochten werden.

LG Magdeburg: Pressemitteilung Nr.: 015/2016

Magdeburg, den 18.4.2016 (9 O 1004/13)

Neuer Richter am Bundesgerichtshof (VI. Zivilsenat)

Neuer Richter am Bundesgerichtshof: Der Bundespräsident hat Richter am Oberlandesgericht Dr. Oliver Klein zum Richter am Bundesgerichtshof ernannt.

Richter am Bundesgerichtshof Dr. Klein ist 42 Jahre alt. Nach Abschluss seiner juristischen Ausbildung trat er 2002 in den höheren Justizdienst des Landes Baden-Württemberg ein. Nach Tätigkeiten bei der Staatsanwaltschaft Freiburg sowie dem Amts- und Landgericht Baden-Baden war er von August 2005 bis Juli 2008 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. In dieser Zeit – am 4.10.2006 – wurde er zum Staatsanwalt (im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit) ernannt. Seit August 2008 war Herr Dr. Klein der Staatsanwaltschaft Freiburg zugewiesen. Jeweils im Abordnungswege war er von Februar 2011 bis Juli 2013 im Bundeskanzleramt, sodann bis April 2014 – am 1.8.2013 zum Richter am Amtsgericht Freiburg ernannt – bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe und schließlich bis Februar 2015, dabei seit Ende 2014 nur noch mit einem Teil seiner Arbeitskraft, bei dem Landgericht Freiburg tätig. Am 30.12.2014 erfolgte seine Beförderung zum Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe.

Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat Herrn Dr. Klein dem vornehmlich für das Recht der unerlaubten Handlungen sowie das Arzthaftungsrecht zuständigen VI. Zivilsenat zugewiesen.

Mitteilung der Pressestelle Nr. 111/2016 vom 4.7.2016