OLG Oldenburg: Risse im Einfamilienhaus durch Tiefbauarbeiten nebenan

Der Wohnungsmarkt boomt, überall wird gebaut. Man spricht von „städtischer Verdichtung“, wenn auf freiwerdenden oder freigebliebenen Grundstücken Mehrfamilienhäuser neben bestehende Häuser gebaut werden. Viele Alteigentümer sehen das nicht gern. Manchmal zu Recht, wie jetzt der 12. Zivilsenat des OLG Oldenburg in einem aktuellen Fall feststellen musste.

Ein Paar aus Nordhorn, Eigentümer eines Hauses aus der Jahrhundertwende, hatte ein Tiefbauunternehmen aus Westfalen verklagt. Auf dem Nebengrundstück sollte ein Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage errichtet werden. Zur Sicherung der hierzu ausgehobenen Baugrube brachte der bekl. Unternehmer in einem Abstand von zum Teil nur 60 cm zum Grundstück der Kl. mehrere acht Meter lange Eisenträger in den Boden ein. Dazwischen wurden Stahlbleche eingesetzt. Der Unternehmer hatte zunächst acht Meter tiefe Löcher in den Boden gebohrt und dann mit einem großen Rammgerät die Eisenträger eingebracht. Nach der Fertigstellung der Tiefbauarbeiten wurden die Stahlträger wieder gezogen.

Die Kl. stellten Risse an ihrem Anbau fest und verklagten den Unternehmer. Es sei ein Schaden von rd. 20.000 Euro entstanden. Der Unternehmer wies alle Schuld von sich. Der Altbau hätte schon vor seinen Arbeiten Risse gehabt. Das läge an dem maroden Zustand des Gebäudes, das ohnehin abrissreif wäre. Außerdem könne eine etwaige Vergrößerung der alten Risse auch andere Ursachen haben, etwa die Grundwasserabsenkung aufgrund des Neubaus, für die nicht er, sondern ein anderer Unternehmer verantwortlich sei.

Das LG Osnabrück war der Argumentation des Bekl. gefolgt. Auf die Berufung der Kl. hin hat das OLG dieses Urteil geändert und den Kl. den begehrten Schadensersatz zugesprochen. Der Unternehmer hätte gegen seine Schutzpflichten aus dem Werkvertrag verstoßen. Zwar sei der Eigentümer des Nachbargrundstücks und nicht das Ehepaar Vertragspartner des Unternehmers. Dieser Werkvertrag entfalte aber eine Schutzwirkung zugunsten Dritter, hier des Ehepaars. Die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten gälten auch ihnen gegenüber.

Durch die Vibrationsarbeiten in unmittelbarer Nähe des Hauses der Kl. hätte der Unternehmer gegen die anerkannten Regeln der Technik verstoßen. Die Gefahr von Versackungen sei vorhersehbar gewesen und für die Art von Vibrationsarbeiten, wie sie der Bekl. durchgeführt habe, nahezu typisch. Der Gerichtssachverständige habe auch festgestellt, dass sich alte Risse in dem Gebäude nach den Arbeiten auf teilweise mehrere Zentimeter deutlich verbreitert und die gesamte Hauswand durchdrängt hätten. Ein Fenster sei praktisch aus der Laibung gerissen worden, das Gebäude biete keinen Witterungsschutz mehr nach außen. Eine mögliche Absenkung des Grundwasserspiegels sei allenfalls in geringem Umfang mitursächlich. Daher müsse der Unternehmer den Schaden der Kl. begleichen. Das Paar erhält jetzt den geltend gemachten Schaden ersetzt.

OLG Oldenburg, Urteil vom 15.8.2017 (12 U 61/16)

(Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 25.9.2017)