Rezension: Die bAV und Vorsorge Themenreihe – Der Kompass

Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersvorsorge und Niedrigzins

Kompass 2/2021

Henriette Meissner/Alexander Schrehardt (Hrsg.)

(Verlag Versicherungswirtschaft, 1. Aufl., ISBN 978-3-96329-372-6, 34,90 Euro)

In der Reihe „Kompass“ aus dem Verlag Versicherungswirtschaft wird der Themenkomplex Garantien, Sicherheit und Rendite in der (betrieblichen) Altersversorgung aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Der über die letzten zwanzig Jahre zu beobachtende Verfall der Zinsen aller als sicher geltenden Staatsanleihen endete nicht an der Nulllinie; sie verfestigten sich in den vergangenen Monaten für zehnjährige Bundesanleihen im negativen Bereich. Die diversen Aufkaufprogramme der EZB hielten die Zinsen auf diesem in der Vergangenheit unvorstellbaren Niveau und sie werden auch zumindest in der nahen Zukunft dort weiter verharren.

Auswirkungen auf Altersvorsorgeprodukte liegen auf der Hand. Lebensversicherungs- oder Pensionskassenprodukte können nur mit einem knapp im positiven Bereich liegenden Zins kalkuliert werden. Ein garantierter Erhalt der Summe aller eingezahlten Beiträge zu Beginn der Leistungsphase lässt sich somit nicht mehr darstellen. Garantien in der Altersvorsorge, sofern sie überhaupt ausgesprochen werden, liegen heute regelmäßig unter der Beitragssumme.

Insbesondere die Vertriebe und Berater, die Schnittstellen zwischen Produktgebern und Kunden, sind mit dieser neuen Situation vor große Herausforderungen gestellt. Sie müssen ihren Kunden erklären, weshalb trotz veränderter Lage der Aufbau einer kapitalgedeckten Altersversorgung auch heute (vielleicht sogar heute mehr denn je zuvor) erforderlich ist.

Mit Altersvorsorge-Produkte und Niedrigzins ist der erste Teil der Aufsatzsammlung überschrieben. Guido Bader legt in seinem Beitrag dar, dass ein Mindestniveau an Garantien für die künftige Planung der Altersvorsorge unabdingbar sei und dieses Ziel am günstigsten und effizientesten im Rahmen eines kollektiven Sparprozesses erreicht werden kann.

Blome, Kling und Ruß stellen dann die Begriffe Garantie und Sicherheit gegenüber. Entscheidend für die Planbarkeit der Altersversorgung ist die Gewissheit, unter Berücksichtigung der Inflation über die gesamte Aufbauphase ein angestrebtes Versorgungsniveaus zu erhalten, nicht aber die in Euro ausgedrückte Garantiesumme.

In zwei weiteren Beiträgen befasst sich Michael Hauer mit fondsgebundenen Produkten. In seinem ersten Aufsatz beschreibt er die Mechanismen der im Markt seit vielen Jahren gängigen 2-Topf- und 3-Topf-Hybridmodelle, die Garantien unterschiedlicher Niveaus mit gegenüber klassischen Lebensversicherungsprodukten höheren Chancen verbinden. Er zeigt leicht verständlich den Zusammenhang zwischen Garantiekosten und Zinsniveau. Die zweite Arbeit erweitert diese Überlegungen und es wird dargelegt, weshalb auch fondsgebundene Produkte in der bAV geeignet sind.

Nicht nur die aktuarielle Ausgestaltung eines Produkts ist entscheidend für den Einsatz in der bAV, steuer- und arbeitsrechtliche Restriktionen werfen oftmals zahlreiche Fragen auf. Blome und Linden analysieren den Einsatz fondsgebundener Produkte in rückgedeckten Unterstützungskassen.

Abgesenkte Garantien in der betrieblichen Altersversorgung ist der Titel des zweiten Teils, in dem rechtliche Fragestellungen im Mittelpunkt stehen. Uwe Langohr-Plato geht in seinem Beitrag der Frage nach, ob und in welchem Maße fondsgebundene Produkte und Produkte mit abgesenkten Garantien in der bAV zulässig sind. Er zeigt für beitragsorientierte Leistungszusagen und Beitragszusagen mit Mindestleistungen die Einsatzmöglichkeiten der genannten Produkte auf mit Verweisen auf geltendes Recht und Rechtsprechung.

Unterschiedliche Leistungsarten, Finanzierungen (Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerfinanzierung) und Durchführungswege führen auch zu unterschiedlichen Anforderungen an die Informationspflichten seitens der Produktgeber, Arbeitgeber, Vermittler und Berater. Die rechtlichen Leitplanken dafür beim Einsatz der zuvor genannten Produkte in der bAV zeigen Biedlingmeier und Lapp in zwei Aufsätzen mit dem Titel „Das Garantieniveau in der Beratungspraxis“ auf.

Henriette Meissner fasst dann die wesentlichen gesetzlichen Regelungen wie auch die Entscheidungen des BAG, die in den drei vorangegangenen Kapiteln zitiert wurden, zusammen und gibt die jeweils bedeutenden Teile im Wortlaut wieder.

Abschließend wird der Ergebnisbericht des Fachausschusses Altersversorgung in der DAV, der den aktuellen Diskussionsstand zu Garantien in der bAV im Niedrigzinsumfeld wiedergibt, abgedruckt. Es zeigt sich in den Beispielen, dass mit einem Rechnungszins unter 0,5 % eine Beitragsgarantie in der bAV auch mit knapp kalkulierten Kostensätzen nicht mehr darstellbar ist. Die beim Einsatz von Produkten mit abgesenkten Garantien in der bAV aufgeworfenen Fragestellungen, die Langohr-Plato schon in seinem Beitrag aus rechtlicher Sicht behandelte, werden hier aus aktuarieller Sicht betrachtet.

Die jüngste Ausgabe der Kompass Reihe mit dem Titel „Abgesenkte Garantien, Sicherheit, Rendite, (betriebliche) Altersversorgung und Niedrigzins“ gibt den aktuellen Stand der Diskussion wieder. Es wird dargelegt, dass derzeit eine Beitragsgarantie nicht mehr möglich ist, welche Produkte stattdessen angeboten werden können und weshalb sie sinnvoll für die private oder betriebliche Altersversorgung sind und welche rechtlichen Restriktionen bei einem Einsatz in der bAV zu beachten sind.

Wissenschaftlich Interessierte wie auch Praktiker, die sich mit der Altersversorgung befassen, werden dieses verständlich aufgebaut und gut lesbare Buch gewinnbringend lesen können. Ganz besonders für Vertriebe und Berater der bAV zeigt die Monographie die aktuellen Herausforderungen und Lösungen in der Praxis auf.

Prof. Dr. Kurt Wolfsdorf

Rezension: Dreher/Gerigk, IT- und Cloud-Dienste

Versicherungsaufsicht bei Ausgliederung, Ein problem- und praxisorientierter rechtlicher Wegweiser

Versicherungsunternehmen setzen mehr denn je IT- und Cloud-Dienste ein und kaufen IT-Dienste oft gruppenintern, immer häufiger aber von externen IT-Dienstleistern ein. Das Einkaufen von IT- und Cloud-Diensten qualifiziert nach dem deutschen und dem europäischen Versicherungsaufsichtsrecht als Ausgliederung. Bislang sind die gesetzlichen Bestimmungen für Ausgliederungen im deutschen Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) noch wenig detailliert. Sowohl die BaFin als auch die EIOPA haben in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Verlautbarungen mit Konkretisierungen, insbesondere zu den betreffenden Governance-Anforderungen an die Unternehmen und den erforderlichen Inhalten eines Vertrags über die Ausgliederung „wichtiger Funktionen“ in die Cloud, veröffentlicht.

Dreher und Gerigk geben mit ihrem Buch nun genau den praxisorientierten guten und zuverlässigen Überblick über die bis Juni 2020 bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und aufsichtsbehördlichen Verlautbarungen sowie über wesentliche Fragestellungen in der Praxis, den sie in ihrem Vorwort ausdrücklich versprechen: Die Kapitel I. und II. des Buchs führen mit einem kurzen guten Überblick über IT- und Cloud-Dienste und die gesetzlichen Grundlagen (Artikel 274 Solva II-DVO (EU) 2015/35 und § 32 VAG) in die Thematik ein. Besonders hervorzuheben ist hier die rechtliche Einordnung von aufsichtsbehördlichen Verlautbarungen am Ende von Kapitel I.: Die Autoren weisen auf das spannende Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. April 2020 hin, welches der Bindungswirkung von aufsichtsbehördlichen Verlautbarungen gegenüber Versicherungsunternehmen rechtstaatliche Grenzen aufweist – das Urteil ist bislang nicht rechtskräftig, sondern liegt aktuell dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung vor. Erst nach dieser wichtigen rechtlichen Einordnung stellen die Autoren in den Kapiteln III. und IV. die Details des 8. Abschnitts des BaFin-Rundschreibens VAIT in der Version von April 2018 und der seit dem 1. Januar 2021 anwendbaren EIOPA-Leitlinien zum Outsourcing an Cloud-Anbieter (EIOPA-BoS-20-002) und schließlich – in einem eigenen Kapitel – die Details des als Orientierungshilfe zu Auslagerungen an Cloud-Anbieter bezeichneten gemeinsamen Merkblatts von BaFin und Deutscher Bundesbank von November 2018 dar. Durch die Aufteilung der Darstellung in zwei Kapitel kommt es auf zehn Seiten zu einer Doppelung der Themenbereiche, die in den verschiedenen Verlautbarungen allerdings auch unterschiedlich behandelt werden.

In der Praxis – bei der Gestaltung von Cloud-Ausgliederungsverträgen und betreffender Kommunikation mit der BaFin – unerlässlich und somit besonders hilfreich ist die Zusammenschau der Governance-Anforderungen und der aufsichtsbehördlich geforderten Vertragsinhalte, welche die Autoren dann in Kapitel V. des Buchs in ihrer thesenartigen Zusammenfassung anbieten – das besonders gelungene Herzstück des Buchs! Ebenso hilfreich ist der Abdruck der wesentlichen aktuellen Rechtsquellen und (teilweise auch Auszügen der behördlichen) Verlautbarungen auf den letzten 50 Seiten – hierdurch wird das Buch zum kompakten praxistauglichen Begleiter im beruflichen Alltag. Die Stärke dieses Buchs liegt ganz klar darin, dass es das nötige Praxiswissen zum Thema Ausgliederung in die Cloud dem versicherungsaufsichtsrechtlich interessierten Leser auf sehr anschauliche und kompakte Weise nahebringt.

Fazit Nr. 1: Diese Neuerscheinung kann jedem, der sich mit Ausgliederungsverträgen zu Cloud-Diensten befasst, mit besonderem Nachdruck empfohlen werden!

Fazit Nr. 2: Dieses Buch von Dreher/Gerigk schreit geradezu nach einer 2. aktualisierten Auflage im Jahr 2022! Denn die Rechtssetzung zu den IT- und Cloud-Diensten in Versicherungsunternehmen schreitet unaufhörlich voran. Fast zeitgleich zum Erscheinen des Buchs legte die EU-Kommission am 24. September 2020 ihren Vorschlag für eine „Verordnung über die Betriebsstabilität digitaler Systeme des Finanzsektors“ (englisch „Digital Operational Resilience Act“ oder auch kurz „DORA“ genannt) vor, welcher bis Ende 2021 verabschiedet werden soll. Der DORA sieht unter anderem neue strenge, weil mit teilweise sehr kurzen Fristen versehene Berichtspflichten der Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor gegenüber den Aufsichtsbehörden im Fall von schwerwiegenden Vorfällen in Bezug auf ihre Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) vor. Der europäische Gesetzgeber hat zudem das Risiko der Abhängigkeit der europäischen Finanzdienstleister von wenigen IKT-Dienstleistern im Blick und fordert ein verstärktes fortgesetztes Monitoring insbesondere der Cloud Provider. Auch der deutsche Gesetzgeber – aktuell gebeutelt vom Wirecard-Skandal – ist zwischenzeitlich tätig geworden: Am 1. Januar 2021 legte die Regierung dem Bundesrat den Entwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, kurz auch „FISG“) vor, welches unter anderem eine Ergänzung von § 32 VAG im Hinblick auf Anbieter in Drittstaaten vorsieht.

Dr. Gunbritt Kammerer-Galahn, Fachanwältin für Versicherungsrecht, Partnerin der Sozietät Taylor Wessing PartG mbB und Leiterin der dortigen Versicherungsrechtspraxis.

Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2020, 165 S., ISBN 978-3-96329-329-0, 34 €

Dr. Bernd Thode, Unwirksame Widerspruchsbelehrung bei Lebensversicherungen durch Ablenkung des Versicherungsnehmers, Verwirkung des Widerspruchs und Stufenklage gem. § 254 ZPO

In seinem aktuellen Beitrag behandelt Dr. Bernd Thode das bisher nicht bzw. kaum erörterte Thema der „Ablenkung durch eine nicht korrekte Widerspruchsbelehrung“ im Zusammenhang mit der „Notwendigkeit eines Korrekturhinweises“ und die umstrittenen Themen der „Verwirkung“ und des „Zugangsnachweises“ für die Versicherungsunterlagen einschließlich der Widerspruchsbelehrung.

(Der vollständige Aufsatz ist abgedruckt in VersR 2020, 1277)

Dr. Bernd Thode, Tatsächliche Wertbemessung und Renditeberechnung für gezogene Nutzungen bei einer Rückabwicklung von Lebensversicherungen

Die Rechtslage und Maßstäbe für die Berechnung des Umfangs der Gelder, die Versicherungsnehmer im Fall eines von ihnen nach § 5a VVG a.F. ausgeübten Widerspruchs aufgrund einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen beanspruchen können, sind oftmals zum Teil überaus komplex und schwierig zu klären. Weiterlesen…

Prof. Dr. Peter Reiff, Die Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechts in der Schweiz, beleuchtet aus europäischer und deutscher Perspektive

Das schweizerische VVG von 1908 ist in die Jahre gekommen. Seine Reformbedürftigkeit steht außer Frage. Ein groß angelegtes Reformvorhaben im Sinne einer Totalrevision ist aber gescheitert. Zurzeit stehen Teilrevisionen des schweizerischen VVG und des schweizerischen VAG an. Weiterlesen…