BGH: Zur Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MBKK 2009 für die Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

Der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hat entschieden, dass eine wirksame Grundlage für Prämienanpassungen in der privaten Krankenversicherung in § 8b Abs. 1 MBKK 2009 (Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung; im Folgenden: MBKK) in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers enthalten ist. Dies betrifft Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten wird. Weiterlesen…

Lehrgang Law and Economy on Insurance Business (LEIB) an der University of Salzburg Business School

Der Senat der Paris Lodron Universität in Salzburg hat im März 2022 einen neuen Universitätslehrgang genehmigt, der erstmalig eine postgraduelle Parallelausbildung von Versicherungsökonomen und -juristen ermöglicht. Der Lehrgang Law and Economy on Insurance Business (LEIB) schließt eine Lücke in der herkömmlichen Ausbildung von Juristen und Ökonomen. Um ein Unternehmen erfolgreich leiten zu können und eine markgerechte Strategie zu verfolgen, muss der Ökonom die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen und der Jurist die wirtschaftlichen Konsequenzen aller sich bietender Handlungsalternativen. Der Jurist muss also die ökonomischen Folgen bestimmter Maßnahmen abschätzen können und der Betriebswirt muss die regulatorischen Grenzen des Versicherungsbetriebs kennen, aber auch die Gestaltungsspielräume, die der Rechtsrahmen bietet. Die Generierung neuer Produkte ist an vertragsrechtliche Vorgaben gebunden – etwa die halbzwingenden Normen des Versicherungsvertragsrechts oder das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen – und nur die Kenntnis der Grenzen aufsichtlicher Vorgaben ermöglicht die vollständige Nutzung des dadurch vorgegebenen Handlungsspielraums. Weiterlesen…

Let’s kill all the lawyers

Über die Gefahr, Shakespeare zu wörtlich zu nehmen

Gerade war noch von einem „Chief Happiness Officer“ die Rede, den größere Anwaltskanzleien zur Bespaßung ihres offenbar freud- und trostlosen Nachwuchses installieren wollen. Aber jetzt wird es ernst. Twitter sperrte den Professor Peter Kirwan aus Nottingham, weil dieser eine lokale Shakespeare-Truppe mit einem Zitat aus Henry VI., Teil 2 anfeuern wollte: „break a leg everyone and do kill all the lawyers“. Twitter wähnte einen Verstoß gegen seine Missbrauchs- und Belästigungsregeln, „physisches Leid“ anzudrohen sei unzulässig, selbst bei Anwälten. Beine zu brechen (eigene und fremde) fällt unter den Verbotskatalog, lawyerkilling auch. Dabei hat Shakespeare das gar nicht so gemeint, im Gegenteil: wenn er den Metzger Dick dem Rebellen Jack Cade das mörderische Vorgehen empfehlen lässt, sind das ja die Schurken, deren Aktionen das Gegenteil des tatsächlich Erstrebenswerten darstellen.

Weiterlesen…

Versicherungsnehmer als Vermittler? – Neues vom EuGH zur Gruppenversicherung

Ein aktuelles Urteil des EuGH lenkt den Blick auf die vieldiskutierte Frage, inwiefern der Versicherungsnehmer einer Gruppenversicherung zugleich als Versicherungsvermittler anzusehen ist. Bislang herrscht in Deutschland die Ansicht vor, dass bei der echten Gruppenversicherung, bei der die „Gruppenspitze“ Versicherungsnehmerin des mit dem Versicherer geschlossenen Gruppenvertrags ist und die Beitretenden die Stellung von Versicherten haben, der Versicherungsnehmer grundsätzlich kein Vermittler ist. Freilich hat der BGH (VersR 2021, 116) im Jahr 2020 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob diese Sichtweise mit den europarechtlichen Vorgaben der Vermittlerrichtlinie (IMD) und der Vertriebsrichtlinie (IDD) vereinbar ist. Zugrunde lag die Unterlassungsklage eines Verbraucherverbands, der die Tätigkeit des Versicherungsnehmers einer Gruppen-Rückholkostenversicherung wegen fehlender Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung nach § 34d Abs. 1 S. 1 GewO wettbewerbsrechtlich beanstandete. Weiterlesen…

BGH: Keine Haftung der Bundesrepublik Deutschland im sog. Dieselskandal für eine möglicherweise unzureichende Umsetzung und Anwendung europäischen Rechts

Der u.a. für das Amts- und Staatshaftungsrecht zuständige III. Zivilsenat hat entschieden, dass dem Erwerber eines mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs keine Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen einer möglicherweise unzureichenden Umsetzung von Europarecht zustehen.

Der Kl. erwarb am 12.9.2014 einen gebrauchten Audi A4 (km-Stand: 11.303 km) zu einem Kaufpreis von 35.440 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der eine unzulässige Abschaltvorrichtung enthält. Der Kl. wirft der bekl. Bundesrepublik Deutschland insbesondere vor, das Kraftfahrbundesamt habe für den hier in Rede stehenden Fahrzeugtyp eine fehlerhafte Typgenehmigung erteilt und Art. 46 der Richtlinie 46/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.9.2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kfz und Kfz-Anhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Richtlinie 2007/46/EG) unzureichend umgesetzt und kein ausreichendes Sanktionssystem erlassen zu haben. Durch diese Pflichtverletzungen sei er zum Abschluss des Kaufvertrags gebracht worden, den er sonst nicht geschlossen hätte. Die Bekl. sei ihm daher zum Schadensersatz verpflichtet. Weiterlesen…