Bindungswirkung des Adhäsionsverfahrens für den Deckungsprozess
Ist eine „bindende Adhäsion“ ein Pleonasmus? Oder eine adhäsive Haftung? Keineswegs, wenn man sich wie das OLG Karlsruhe mit der interessanten Frage befasst, ob ein Haftungsurteil in einem strafprozessualen Adhäsionsverfahren die gleiche Bindungswirkung entfaltet wie das Urteil in einem Haftpflichtprozess (OLG Karlsruhe, VersR 2020, 472). Zugrunde gelegen hatte ein – typischer? – Streit zwischen einem Rad- und einem Pkw-Fahrer. Der Pkw-Fahrer war der Meinung, der Radler habe ihm die Vorfahrt genommen und stellte ihn deswegen mit heruntergedrehter Seitenscheibe zur Rede. Das Gegenargument des Radfahrers war ein Fausthieb gegen den Pkw. Das verursachte eine Beule. Diese wiederum weckte in dem Autofahrer den Wunsch auf Feststellung der Radler – Personalien, aber das wollte jener nicht und setzte seine Fahrt fort. Daraufhin überholte der Pkw-Fahrer den Radfahrer, hielt sein Fahrzeug an und stieg aus. An dem sich anbahnenden Gespräch zeigte der Radler aber kein Interesse, was den mittlerweile zum Fußgänger mutierten Pkw-Fahrer veranlasste, den Lenker des Rades und den Arm des Radfahrers zu ergreifen. Alle stürzten dann zu Boden, wobei der Radfahrer seine Schuhe zunächst nicht aus den sog. Klick-Pedalen lösen konnte. Alles andere ist streitig außer dem Umstand, dass der Radfahrer einen komplizierten Knöchelbruch im linken Fuß und einen Bruch im Bereich der Lendenwirbelsäule erlitt. Das Strafverfahren gegen den Pkw-Fahrer endete mit einer Geldstrafe. Der Strafrichter stellte fest, dass die Verletzung des Radfahrers durch den gemeinsamen Sturz verursacht worden wäre. Allerdings konnte nicht festgestellt werden, dass der Pkw-Fahrer nach dem Sturz noch auf dem linken Fuß des Zeugen „herumgesprungen“ sei. Es verurteilte den Pkw-Fahrer also „nur“ wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Im anschließenden Deckungsprozess machte der Haftpflichtversicherer des verurteilten Pkw-Fahrers den Vorsatzausschluss gem. § 103 VVG geltend. Dem ist das OLG nicht gefolgt. Die Bindungswirkung des Strafverfahrens für den Deckungsprozess gegen den Versicherer ergäbe sich schon aus § 406 Abs. 3 S. 1 StPO. Unter Hinweis auf BGH VersR 2015, 772 meinte es, das sog. Adhäsionsverfahren müsse die gleiche Rechtskraftwirkung entfalten wie ein zivilrechtliches Urteil. Es sei auch das Erfordernis der sog. Voraussetzungsidentität erfüllt, weil im Deckungsprozess dieselben Feststellungen entscheidungsrelevant seien wie auch im vorangegangenen Haftpflicht- oder eben hier Adhäsionsverfahren. Irgendwelche „überschießenden“ Feststellungen, die keine Bindungswirkung im Deckungsprozess entfalten könnten, gäbe es nicht.
Außerdem erleide der Versicherer auch keinen Nachteil dadurch, dass er wegen der Besonderheiten des strafprozessualen Adhäsionsverfahrens an diesem nicht teilnehmen könne. Zunächst einmal sei die Entscheidung BGH NJW 2013, 1163 (wo eine Bindungswirkung des Adhäsionsurteils für den Direktprozess des Geschädigten gegen den Kfz-Haftpflichtversicherer abgelehnt wurde) nicht einschlägig, denn die Rechtskrafterstreckung nach § 124 VVG gäbe es außerhalb der Pflichtversicherung nicht. Auch würden dem Versicherer durch die Bindungswirkung des Adhäsionsverfahrens keine Rechte abgeschnitten, die er in einem zivilrechtlichen Haftungsverfahren hätte wahrnehmen können. Weil der Haftpflichtversicherer in einem Zivilprozess über die Haftungsfrage seinem Versicherungsnehmer eine uneingeschränkte Interessenwahrnehmung schulden würde, sei der Haftpflichtversicherer im Haftungsprozess daran gehindert, „ein vorsätzliches Verhalten des Klägers geltend zu machen“. Vielmehr hätte der Versicherer alles in seinen Kräften stehende tun müssen, um eine Verurteilung des Klägers wegen vorsätzlicher Schädigung abzuwehren.
Das wirft Fragen auf. Was spricht eigentlich dagegen, den Haftpflichtversicherer am Adhäsionsverfahren teilnehmen zu lassen? Wenn es sich um eine Sonderform des Haftpflichtprozesses handelt, dann sollten die dortigen Regeln auch hier anwendbar sein. Immerhin ist anerkannt, dass ein solches Adhäsionsverfahren unter die Meldepflichten des § 104 Abs. 2 VVG fällt. Und es ist in der hier besprochenen Entscheidung möglicherweise nicht hinreichend bedacht worden, dass es dem Versicherer, wenn er die Haftungsabwehr übernimmt, zwar verwehrt ist, sich auf eine Position zu berufen, die für ihn günstig, für den Versicherungsnehmer aber ungünstig ist, dass es ihm aber nicht verwehrt ist, seinem Versicherungsnehmer einen eigenen Anwalt zu bestellen, der dann uneingeschränkt die Interessen des Versicherungsnehmers wahrnimmt, während der Versicherer selbst im Wege des Streitbeitritts zum Haftungsverfahren seinen Vorsatzeinwand vortragen kann. Insoweit also wäre dem Versicherer durch das Adhäsionsverfahren sehr wohl eine Verteidigungsmöglichkeit genommen, die er in einem Zivilprozess durch den Streitbeitritt durchaus hätte wahrnehmen können. Aber nur dann, wenn er nicht auch am Adhäsionsverfahren teilnehmen kann (wie das von BGH NJW 2013, 1163 verneint wurde). Das wird die Rechtsprechung zu entscheiden haben, wenn ein Haftpflichtversicherer sich demnächst entscheidet, diesen Weg zu gehen.