VG Berlin: Rettungsdienst kann straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen verlangen

Ein Rettungsdienst kann straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen verlangen, wenn die Verkehrssituation vor der Rettungswache ansonsten zu wesentlichen Verzögerungen beim Einsatz von Rettungsfahrzeugen führt. Das hat das VG Berlin entschieden.

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OLG Hamm: Zwei Diamantohrringe oder schon ein Pärchen?

Ein Kunde, der – u. a. als Wertanlage – beim Juwelier zwei Diamantohrringe als Pärchen erwirbt, muss sich an dem Kaufvertrag festhalten lassen, wenn die sachverständige Klassifizierung der Schmuckstücke die Pärchen-Eigenschaft bestätigt und kein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert der Schmuckstücke und dem Verkaufspreis besteht. Das hat der 7. Zivilsenat des OLG Hamm am 8. 11. 2016 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des LG Münster – im Ergebnis – bestätigt.

Tatbestand:

Im Jahr 2011 erwarb der Kl. beim bekl. Juweliergeschäft – auch als Wertanlage – zwei Diamantohrringe zum Kaufpreis von 268.000 Euro. Die Ohrringe verkaufte die Bekl. unter Aushändigung zweier internationaler Expertisen als Pärchen (Anm.: Die Pärchen-Eigenschaft beschreibt einen werterhöhenden Faktor, wenn die Steine in den Klassifizierungskategorien und in optischer Hinsicht gut zusammenpassen).

Nach der Einholung weiterer Expertisen behauptete der Kl., die ihm verkauften Ohrringe seien kein wertsteigerndes Pärchen. Sie seien von schlechterer Qualität und üblicherweise für 130.000 bis 160.000 Euro zu erwerben. Der Kl. meinte, von der Bekl. über den Markt- und Verkaufswert der Schmuckstücke getäuscht worden zu sein. Er erklärte deswegen die Anfechtung des Kaufvertrags und sah diesen aufgrund eines Missverhältnisses zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Wert der Ohrringe zudem als sittenwidrig und damit nichtig an.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gerichtete Klage ist erfolglos geblieben. Dabei konnte der 7. Zivilsenat des OLG Hamm offenlassen, welche Angaben der Bekl. den Kl. zum Abschluss des Kaufvertrags veranlasst hatten.

Aus den Gründen:

Der Kl. habe bereits nicht nachweisen können, so der 7. Zivilsenat, dass es sich bei den in den Ohrringen verarbeiteten Diamanten um kein Pärchen handle. Der vom Senat beauftragte Sachverständige habe vielmehr festgestellt, dass die Steine nach den maßgeblichen Expertisen internationaler Institute ein Pärchen seien, weil sie in den Klassifizierungskategorien und auch optisch gut zusammenpassten. Schließlich gehe ein vom Kl. vorgelegtes Privatgutachten ebenfalls von der Pärchen-Eigenschaft der Steine aus, auch wenn es deswegen nur einen geringeren Preisaufschlag als gerechtfertigt ansehe.

Der Kaufvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Wert der Ohrringe bestehe kein grobes, besonders auffälliges Missverhältnis. Nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens könne nicht festgestellt werden, dass der von den Parteien vereinbarte Kaufpreis deutlich über denjenigen Preisen liege, die andere Händler im Jahr 2011 für dieselben Ohrringe verlangt hätten. So habe der Sachverständige den Herstellungspreis auf 102.000 Euro geschätzt, hinzu kämen Verkaufsaufschläge des Herstellers und Endhändlers. Dabei könne ein Händler auch einen Aufschlag in Höhe des gezahlten Einkaufspreises veranschlagen.

OLG Hamm, Urteil vom 8. 11. 2016 (7 U 80/15)

– nicht rechtskräftig (BGH VIII ZR 280/16) –

(Pressemitteilung des OLG Hamm vom 17. 2. 2017)

OLG Celle: Voraussetzungen einer spontanen vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des VN

Versicherungsvertragsrecht
Sämtliche Versicherungszweige
Voraussetzungen einer spontanen vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit des VN
VVG §§ 19, 22; BGB § 123
* 1. Der Versicherer kann auch dann zur Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein, wenn der VN bei dem Vertragsschluss Umstände verschwiegen hat, nach denen der Versicherer nicht gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG in Textform gefragt hat. *
* 2. Über die Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hinaus kann sich – aus Treu und Glauben – auch eine Aufklärungspflicht des VN in Bezug auf nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragte Umstände ergeben. Es kann dem VN jedoch in der Regel nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des Versicherers als abschließend ansieht und keine weiter gehenden Überlegungen dazu anstellt, welche Umstände für den Versicherer darüber hinaus von Interesse sein könnten. Nach der gesetzlichen Wertung obliegt zunächst dem Versicherer die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Eine spontane Anzeigepflicht besteht daher nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann. *
* 3. Bei dem Abschluss einer Pflegeversicherung für ein Kleinkind besteht keine Aufklärungspflicht hinsichtlich einer Entwicklungsverzögerung, wenn der Versicherer hiernach in seinem umfangreichen Fragenkatalog nicht gefragt hat, obwohl diese bereits in seinem System als Ablehnungsgrund hinterlegt war. * Weiterlesen…

Der Gerichtshof verkündet sein Urteil in Sachen Brustimplantate aus minderwertigem Industriesilikon

Tatbestand

Frau S. ließ sich im Jahr 2008 in Deutschland Brustimplantate einsetzen, die in Frankreich hergestellt worden waren.

Nachdem die französischen Behörden im Jahr 2010 festgestellt hatten, dass der französische Hersteller Brustimplantate unter Verwendung von Industriesilikon herstellte, das nicht den geltenden Qualitätsstandards entsprach, ließ sich Frau S. ihre Implantate entfernen.

Der Hersteller ist inzwischen zahlungsunfähig geworden. Frau S. verlangte vor den deutschen Gerichten vom TÜV Rheinland, der vom Hersteller im Rahmen der CE-Kennzeichnung mit der Überprüfung seines Qualitätssicherungssystems beauftragten benannten Stelle, Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro. Außerdem begehrte sie die Feststellung der Ersatzpflicht des TÜV für künftig entstehende materielle Schäden. Sie machte geltend, der TÜV hätte durch Einsichtnahme in Lieferscheine und Rechnungen erkennen können, dass der Hersteller nicht das genehmigte Silikon verwendet habe. Weiterlesen…